Buchbesprechungen
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gibt, sondern auch bewertet. Dabei verzichtet sie darauf, danach zu fragen, auf welchen Grund
tagen die entsprechenden Wörterbücher erstellt sind, und richtet sich in ihrem Urteil nach der
Terminologie von Rechtstexten.
Gerade bei der Untersuchung des arabischen Rechts indes macht sich die mangelnde Kennt
nis des Arabischen besonders schmerzlich bemerkbar. Die kanonischen haffif-Sammlungen,
a uf denen islamisches Recht basiert, liegen bis heute nicht komplett übersetzt vor, so dass es
brau Klocker nicht möglich war, diese Werke einer eigenen wissenschaftlichen Auswertung
zukommen zu lassen. Es fällt auf, dass unter der verwendeten Literatur nicht einmal eine
Übersetzung eines solchen Rechtskompendiums auftaucht. Statt dessen stützt die Autorin sich
bei ihrer Untersuchung der sarfa ausschließlich auf wissenschaftliche Literatur zu dieser The
matik - eine Vorgehensweise, die ein eigenständiges Urteil nur eingeschränkt gewährleistet.
Auch Frau Klockers Umgang mit wissenschaftlicher Literatur lässt dabei ärgerliche Mängel
er kennen. Besonders gravierend scheint, dass sie gelegentlich falsch zitiert und sich auf Aussa-
g e n beruft, die bei den entsprechenden Autoren überhaupt nicht zu finden sind. Als Beispiel
möchte ich auf den Abschnitt über Blutrache infolge von Vergewaltigung verweisen. Der Au
torin zufolge setzen Beduinen heute eine Vergewaltigung mit einem Mord gleich. Zum Beleg
Th diese Aussage zitiert sie eine Studie von Jacob Black-Michaud (Cohesive force, Oxford 1975),
^ er an der angegebenen Stelle zwar über die Ehre von Frauen spricht, dabei aber vor allem auf
v °n Frauen ausgehende Überschreitungen der ihnen auferlegten Normen abzielt. Das Wort
Vergewaltigung fällt in diesem Zusammenhang nicht — oder sollte die Autorin hier den engli-
Sc hen Begriff violation falsch verstanden haben? (Klocker 60; Black-Michaud 227—28)
Eine ähnlich inkorrekte Zitierweise lässt sich auch für eine angeblich bei Max Freiherr von
Oppenheim (Die Beduinen, Leipzig 1939) zu findende Aussage nachweisen, in der Klocker
tofolge davon die Rede ist, dass ein hamsa-Miglied, das sich weigert, Blutrache zu üben, seine
me verliert. Bei Oppenheim indes wird der Begriff hamsa an dieser Stelle nicht verwendet
Ülocker 125; Oppenheim 30).
Aufschlussreich ist auch die anfangs gegebene Liste wichtiger Untersuchungen zum The-
toa Blutrache (S. 2). Zwei der interessantesten Studien zur Blutrache fehlen: Jacob Black-
lc hauds Monographie Cohesiveforce und Emrys Peters Sammelband The Bedouin of Cyrenaica:
st ^dies in personal and corporate power (Cambridge 1990), in dem ein umfangreiches Kapitel
Unfalls dieser Thematik gewidmet ist. Beide Titel tauchen immerhin in der Bibliographie am
n de des Buches auf. Zumindest Black-Michauds Gedanken wurden jedoch offensichtlich
to c ht rezipiert, wie sich beispielsweise in dem Abschnitt „Blutrache - Fehde - Krieg“ zeigt (S.
ff und S. 182 ff). Der Versuch einer Definition und Abgrenzung ebenjener Begriffe wird
61 black-Michaud in einem einführenden Kapitel unternommen. Seine Einteilung nicht zu
toeren, ist daher eine bemerkenswerte Lücke.
1' u Eine We ff ere Lücke ist darin zu sehen, dass Frau Klockers Arbeit ausschließlich auf schrift-
.. ertl Material basiert. Eigene Feldforschungen sind von ihr nicht durchgeführt worden;
mdie zitierten Fallbeispiele sind den Studien anderer Ethnologen entnommen. Für eine
jV St0r tach orientierte Fragestellung mag diese Vorgehensweise legitim sein, kaum aber für eine
^J u die Zu modernen Verhältnissen. Wie wichtige Erkenntnisse zum Umgang mit Blutrache im
§ ° nte xt moderner Staaten sich aus Feldforschungen gewinnen lassen, zeigen beispielsweise die
b a len Von Fessel (Ascendancy through aggression: the anatomy ofa bloodfeud among urbanized
°ff ns > Wiesbaden 1996) und Ginat (s.o.).
Re a V'ta’Eodik von Frau Klocker kann am besten als eine Paraphrasierung bereits vorlie-
er Forschungsergebnisse beschrieben werden, die sie zum Teil kommentiert. Ihre Kom