2. Der Selbstmörder in Lithauen.
Von Tli. Volkov in Paris.
Im August des Jalires 1892 bemerkten die Schäfer des Dorfes
Someniski (Gouvernement Kovno), auf dem Felde die Leiche einer
Frau, die auf einem Baume hing. Es erwies sich, dass die Erhängte
eine Bäuerin, namens Galinas war. Ihre Hausgenossen wurden davon
benachrichtigt. Die drei Söhne der Verstorbenen kamen bald auf
das Feld gelaufen. Nachdem sie die Selbstmörderin vom Baume ab
genommen, trugen sie sie nach Hause. Als sie die Erlaubnis des
Landbezirk-Offiziers erhalten, die Leiche begraben zu dürfen, be
gaben sie sich zu dem Priester mit der Bitte, ihre Mutter nach dem
katholischen Ritus zu beerdigen. Aber als dieser die Tod-Ursache
erfahren, verbot er nicht allein die Leiche in der Kirche abzustellen,
sondern auch ganz entschieden die Bestattung auf dem Kirchhofe.
Ins Dorf zurückgekehrt erzählten die drei Galinas ihren Dorf
leuten, der Priester wolle sogar Geld für das Trauergeläut nicht
annehmen, indem er dabei gesagt, es wäre eine grosse Sünde für
die Seele derjenigen zu läuten, die sich mit dem Teufel abgegeben.
Das ganze Dorf erschrak, als es solches hörte, der Besitzer
aber des Landstückes, wo die Bäuerin sich erhängt, war fest über
zeugt, dass alle Erdrosselten über die Felder gingen und die Feld
saaten verdürben. Er wollte in keinem Falle erlauben, die alte
Lalinas auf seinem Grundstücke zu begraben. Da dachten die Brüder
bin und her darüber, ob die Verstorbene nicht am Ende sie selber
stören und ihnen die Felder verderben würde. Gott weiss was für
ei n Los zuletzt die Leiche erwartete, als zum Glück sich im selben
Lorfe ein alter Hexenmeister fand. Er riet, der Verstorbenen den
Kopf abzuschneiden und ihn ihr zwischen die Beine zu legen, dann
w äre sie nicht mehr im Stande über die Felder zu laufen, und alles
’würde wieder gut. Jedoch wollte er diese Operation nicht selber
ausführen. Eine neue Schwierigkeit, es wollte niemand den Kopf
abliauen. Endlich stiess man auf einen alten abgedankten Soldaten
Bobkus, der für einen Rubel und eine „Pura" Kartoffeln die gute
tat vollbringen wollte. Daselbst hieb auf dem Felde, in Gegenwart
ües ganzen Dorfes, der Verteidiger von Sebastopol, die Brust mit
ledaillen geschmückt, mit einem Beilhieb der Leiche den Kopf vom
Rumpfe ab, legte ihn zwischen die Füsse der Verstorbenen, komman-
I . te „verscharren" und marscliirte zur Schenke ab, um den Toten-
^erschluck zu trinken. In der Kneipe war ein Gensdarm-Unter-
jfftizier zugegen. Eine starke Weinlibation löste die Zunge des
tapferen Kriegers. Sich für den Helden des Tages erachtend, fing
p an dem Schenkwirten von seiner Heldentat zu erzählen an, der
e üsdarm aber hörte zu und notirte es sich auf.
p _ Auf Grund des Berichtes erfolgte ein Prozess, der im Wilnaer
azirkgericht, in der Stadt Ponieves geführt wurde. Uebrigens sind
!l 0 Beschuldigten vom Bezirkgerichte freigesprochen worden.
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