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B. Referate. Ethnologie.
Knochen der Steinzeitmenschen gefunden worden, kommen auch hei denen
der Aino vor. Tsuboi schreibt den nackten osteometrischen Zahlen eine
viel zu grosse Bedeutung zu. Auch was derselbe über den Wert der Platyknemie
und der Zahnkaries als Unterscheidungsmerkmale sagt, entzieht sich, im
Grunde genommen, der Kritik. Alle Punkte, welche bei einer direkten Ver
gleichung zwischen Steinzeitresten und jetzigen Aino nicht übereinstimmen,
stellt Tsuboi ganz willkürlich als ein Unterscheidungsmerkmal auf, ohne
dabei jenen mächtigen Faktor, die Zeit, in Betracht zu ziehen. Solange
wir nicht beweisen können, in wiefern die Lebenszustände der Aino seit
der Steinzeit sich geändert haben, ist die ehemalige Existenz des Koropok-
guruvolkes durchaus zweifelhaft. Kogonei legt, mit vollem Rechte, grosses
Gewicht darauf, dass die Aino der Nordkurilen und von Sachalin noch jetzt
Erdjurten bewohnen. Er hebt ausdrücklich hervor, dass Tsuboi bei seinen
Untersuchungen diese Aino vollkommen ausgeschlossen und bloss die von
Yezo in Betracht gezogen hat. Spuren von Jurtenwohnungen, in Form von
Erdgruben, sind nicht nur auf Yezo, Sachalin und den Kurilen, sondern
auch auf der Hauptinsel Japans anzutreffen. Tsuboi legt auch der märchen
haften Sage der Aino über die Koropokguru (auf Sachalin als Tonchisage
bekannt), eine zu grosse Bedeutung zu. Es ist bemerkenswert, dass die
Aino auf der Insel Shikotan (Südkurilen) von dieser Sage nichts wissen.
Aber diese Leute stammen von den Nordkurilen und zeigen in Lebensweise
und Sitten mancherlei Unterschiede von den übrigen Aino. Der Häuptling
auf Shikotan erzählte Koganei, „dass die Nordkurilen-Aino früher Steinge
räte und irdene Gefässe gebraucht hätten; über die Herstellungsweise wisse
man nichts mehr, aber er vermochte noch die Gebrauchsweise des Stein
beils genau anzugeben“. Steingeräte und Gefässscherben sollen häufig in
den Gruben gefunden werden, welche die einstige Stelle früherer Jurten
wohnungen auf den Inseln Shumshu, Poromoshiri u. s. w. einnahmen. Des
wegen kennen die Aino der Nordkurilen die Sage der Koropokguru resp.
Tonchi nicht. Die kleine Gruppe (etwa 60 Seelen) der Shikotan-Aino bildet
sozusagen ein missing-link zwischen den Steinzeit- und den jetzigen Aino.
Die Meinung Koganeis wird u. a. von Läufer (siehe diese Zeitschrift,
Jahrg. Y, 1900) geteilt. Auch der Japaner Torii, der Untersuchungen auf
den Nordkurilen anstellte, bringt sichere Beweise für die Annahme, dass
die dortigen Reste der Steinzeit nur von den Vorfahren der Aino herrühren.
Koganei schliesst seine lehrreiche Schrift mit den Worten, welche er schon
früher ausgesprochen hat: „Das japanische Reich war einst ein Aino-Reich“.
Wir müssen Prof. Koganei Dank wissen, dass er auch durch Be
nutzung der japanischen Quellen in dieser verwickelten Frage Klarheit ge
bracht hat. Mögen seine Kollegen in Tokyo dem Beispiel Koganeis folgen
und fortan ihre Arbeiten in irgend einer europäischen Sprache der übrigen
Wissenschaft zugänglich machen. jy. ¿ en Kate-Kobe.