B. Referate. Ethnologie.
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angebracht und am Fusse ein Knabe von 5—6 Jahren, der Sohn eines be
sonders angesehenen Kriegers, fest angebunden. 8 Tage tanzen 44 Krieger
um den Baum, von dem Rest des Stammes umgeben. Diese 44 und der
Knabe in der Mitte müssen während der ganzen Zeit strenge fasten. Nicht
einmal Wasser sollen sie erhalten. Fällt der Knabe in Ohnmacht, so fächelt
man ihm mit einem Federfächer Wind ins Gesicht und glaubt dabei, dass
die Sonne ihm seinen Atem einhauche und seine Kräfte wiederherstelle.
Auf die Frage, ob er nicht manchmal ums Leben komme, verneinte das
der Indianer mit Überzeugung, da die Sonne ihn erhalte. Der Zusammen
hang der beiden beschriebenen Zeremonien ist nach Ansicht des Ref. wahr
scheinlich nach Analogie der germanischen Gebräuche zu erklären, nach
denen im Frühjahr resp. um die Zeit der Sommer-Sonnenwende der Dämon
des Wachstums im Feuer verbrannt wird, weil ein neuer Dämon, d. h. eine
neue Sonne geboren wird. Das ist auch in Mexico vom Ref. nachgewiesen,
wo ein Mensch als Verkörperung der Sonne in der Gestalt des Gottes
Tezcatlipoca geopfert wird, wenn die Sonne im Mai über der Stadt Mexico
im Zenit steht, und zugleich ein neuer menschlicher Repräsentant der Sonne
zur Opferung im nächsten Jahr „geboren“ wird. Bei den Comanchen ist
der durchaus analoge Vorgang, der sich übrigens auch in andern Teilen
der Erde wiederholt, besonders deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Kind
repräsentiert die neue Sonne, ist ihre Verkörperung, der „vom Sonnenstrahl
getötete“ Mensch die alte Sonne, die eben von der neuen Sonne selbst zu
Tode gebracht wird. £>r. x. Th. Preuss-Berlin.
336. Erland Nordenskiöld: Präkolumbische Wohn- und Begräbnis
plätze an der Süd-Westgrenze vom Chaco. Kongl. Svenska
Vetenskaps-Akademiens Handlingar, 1902. Bandet XXXVI,
No. 7, 22 Seiten, 4°, mit 5 Tafelu und 17 Textfiguren.
Verf. beschreibt seine archäologischen Forschungen im Flussthal des
Rio San Francisco, auf dem Grenzgebiete zwischen Argentinien und Bolivien
gelegen. Es handelte sich um alte Wohnplätze, jetzt in tiefem Urwald
versteckt, deren Anwesenheit nur dadurch verraten wird, dass die Gürtel
tiere Topfscherben heraufwühlen, und um Gräber; diese sind auch nur dann
kenntlich, wenn sie das Wasser angeschnitten hat. Verf. hat beide Arten
sorgfältig untersucht und Lage wie Ergebnis genau registriert. Mauerwerke
fanden sich nicht; die Bevölkerung lebte in der Ebene. Da die Wohnstelien
heute weit vom Wasser entfernt liegen, denkt Verf. an eine Klimaver-.
schlechterung, doch könnte auch eine allmähliche Verschiebung der Fluss
läufe eingetreten sein. Aus Gräbern stammen grosse bauchige Gefässe mit
spitz zulaufendem Boden, in ihnen waren Kinder beigesetzt. Ausserdem
lagen darin Kohle und einige der beigefügten Schneckenschalenperlen sind,
wie die menschlichen Knochen, angebrannt. Es wurden wahrscheinlich