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B. Referate. Ethnologie.
327. Hans Virchow: Das Skelett eines-verkrüppelten Chinesinnen-
Fusses. Zeitschrift f. Ethnologie, 1903. Bd. XXXV, Heft 2,
S. 266—316, 5 Taf.
Folgende 6 Arten der Formveränd erung werden durch die bekannte
Manipulation bewirkt: 1. allgemeine ungleichmässige trophische Mikroplasie,
infolge gestörter Ernährung; 2. partielle funktionelle Mikroplasie, besonders
der Mittelfussknochen und des ersten Gliedes der 4. Zehe, die messerartig
abgeplattet werden (= „Platymetatarsie“, analog Platyknemie gebildet); nur
die zur Gelenkbildung dienenden Knochenabschnitte werden geschont; 3. lokale
Atrophie, und zwar Druckatrophie (an den Köpfchen von Metat. IV u. V.,
Proc. post, calc., Cuneif. II und III, und den aneinanderstossenden Teilen
von Würfel- und Fersenbein) und Atrophie durch Nichtgebrauch; 4. Ver
biegung (der Mittelfussknochen und des Calcaneus); 5. Verquetschung (an
der Rückseite des Calcaneus) und 6. Verödung von Gelenkabschnitten, be
sonders deutlich an der Verbindung yon Metat. IV u. V mit dem Cuboides,
aber überhaupt an der Mehrzahl der Gelenke vorhanden, bestehend in Uneben
heiten an den sonst zur Gelenkbildung dienenden Knochenilächen, sodass
nun ein Spalt zwischen ihnen klafft. Sämtliche Knochen sind in natür
licher Grösse abgebildet, die Zeichnungen sind durch Nachziehen der Umrisse
an Photographien gewonnen, die dann wieder ausgewaschen werden. Eine
genaue Beschreibung jedes einzelnen Knochens sowie ausführliche Würdigung
der Litteratur ist angeschlossen. p Bartels-Berlin.
328. E. Thurstoii: Anthropology. Bulletin of tlie Madras Govern
ment Museum. Vol. IV, No. 3. Madras 1903. (S. 222.)
In den Mitteilungen des Madraser Regierungsmuseums werden einige
Hochzeitsgebräuche besprochen, wie sie im südlichen Indien üblich sind.
Eigenartig sind die Ceremonien, wenn ein Mann bereits die dritte Frau
heiratet; da eine solche Hochzeit von übler Vorbedeutung ist, heiratet der
Mann vorerst symbolisch nicht die Braut, sondern eine Pflanze, und so wird
die dritte Heirat zu einer vierten gestempelt. Manche Hochzeitsgebräuche
weisen darauf hin, dass es früher Raubehen, d. h. Mädchenraub gegeben
haben müsse. Ein anderer Artikel enthielt eine genaue Beschreibung der
im südlichen Indien gebräuchlichen Verstümmelungen des menschlichen
Körpers, welche ihren Ausgangspunkt teils in abergläubigen Ansichten, teils
in hygienischen Motiven, teils in Modetorheiten besitzen. In einem anderen
Abschnitte werden die ziemlich tiefstehenden Stämme der Uralis, Sholagas
und Irulas beschrieben. Ferner wird über einen Feuergang oder Feuertanz
in Gaujam, sowie über die körperliche Strafe in den einheimischen Schulen
berichtet, von welchen letzteren die Mehrzahl wahrlich ganz und gar un
menschlich ist. j)r. Oskar v. Hovorka-Wien.