284
B. Referate. Ethnologie.
nimmt W. die Monogamie als die regelmässige und weitverbreitetste Ehe
form als erwiesen an, indem er die von Bachofen, Morgan, Darwin, Kohler,
Engels u. A. verfochtene Promiskuität und Gruppenehe (Blutsverwandtschafts
ehe und Punaluaehe) als Vorläufer der Einehe verwirft; Polyandzie und
Polygamie sind seiner Ansicht nach nur zeitweilige Abzweigungen von regel
mässigen Typus der Monogamie. Auch die Ansicht über die mutterrechtliche
Organisation der Familie, als die älteste rechtliche Yerwandtschaftsvorstellung
sucht W. richtig zu stellen, indem er darauf hinweist, dass beide Vererbungs
arten in früheren Zeiten nebeneinander existiert haben.
Sehr bemerkenswerte Ansichten entwickelt W. über den socialen Kampf
ums Dasein, Herrschaft und Knechtschaft, Ursprung der Kasten, des Adels
und der verschiedenen Wirtschaftsklassen. Bei der Besprechung der intellek
tuellen Berufe stellt er hinsichtlich der Familienüberlieferung des Berufs
eine sehr instruktive Tabelle auf, welche auf der amtlichen preussischen
Statistik basiert.
Es stammen
in Preussen
nämlich aus
dem Stande der
Juristen
Theologen
Mediziner
Philologen
Juristen
55,11%
7,38%
16,51%
20,18 o/o
Geistlichen
14,13%
48,66%
21,46%
O
o
CO
t>-
Ärzte
27,06%
4,38%
50%
18,5%
Lehrer
31,63 o/o
10,30%
22,09%
33,25%
Ihrem Berufe am treuesten bleiben demnach die Juristen und Ärzte.
Der Ursprung der politischen Entwickelung der Völker ist vorzugs
weise im Herrschaftstriebe, als einer socialen Äusserung der physischen
Selbsterhaltung und Vermehrung zu suchen. So wie in einer Tierheerde
kommt es auch beim Menschen im Verlaufe des Kampfes ums Dasein zu
einer inneren Herrschaftsorganisation, dem einzigen Mittel zur Abwehrung
der gemeinsamen Feinde; hierdurch ist der Beginn zum Entstehen einer
centralen Gewalt von selbst gegeben. Durch Vereinigung mehrerer Familien
kommt es zur Bildung einer Horde, in welcher zwar noch keine eigentliche
Herrschaft, aber doch schon Uber- und Unterordnung, Leitung und Gefolg
schaft besteht; die Initiative, Legislative und Exekutive sind noch nicht
gesondert. Der Älteste bildet das Oberhaupt. Indem sich mehrere Horden
Zusammenschlüssen, entsteht der Stamm, wobei die Horde, als ein unter
geordnetes Glied des Gesamtverbandes zur Sippe, Gens oder Clan wird.
Innerhalb der Gentes nahm die Gentilverfassung ihren Ursprung, die bei
den Irokesen von Morgan so gründlich studiert wurde. Durch Vereinigung
mehrerer Stämme kommt die Nation zustande und mit dem Anwachsen
der Stämme zur Nation entsteht zugleich der Staat. Dieses Wachstum
der inneren Orgenisation haben alle indogermanische Völker, die Inder,
Griechen, Römer, Germanen, Gallier und Slaven mitgemacht. Bei den
Griechen gab es Phylen, bei den Römern Gentes, bei den Germanen Ver
wandtschaften, bei den Galliern Clans (in Schottland bis in die neueste Zeit),