B. Referate. Ethnologie.
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wichtige Furchtgefühle aus: das eine ist noch vormenschlichen Ursprunges
und geht nur vom weiblichen Wesen aus (geschlechtliche Verweigerung),
das andere dagegen ist ausgesprochen menschlichen Charakters und eher
socialen, als sexuellen Ursprunges (Neigung zu Abscheu, Ekel). — Das
sexuelle Schamgefühl des Weibchens ist auf die Sexualperiodicität des
weiblichen Geschlechtes überhaupt zurückzuführen. Es ist der unwillkürliche
Ausdruck der organischen Thatsache, dass augenblicklich nicht die Zeit zum
Lieben ist. Es ist daher das unvermeidliche Nebenprodukt der natürlichen
agressiven Handlungen des männlichen Wesens in geschlechtlicher Hinsicht
und der natürlichen abweisenden Haltung des Weibchens. Dieses Abwehr
gefühl wird so zur Gewohnheit, dass es sich auch zu Zeiten äussert, wo es
aufhört angebracht zu sein. — Dieser „animalische“ Faktor des Scham
gefühls erklärt aber nicht alle Erscheinungsformen desselben, so z. B. nicht
Schmuck und Kleidung und noch weniger das Schamgefühl des Mannes.
Verf. geht hierbei auf den Ekel zurück, eine der ursprünglichsten und allge
meinsten socialen Eigenschaften der Menschheit. Mit Recht nimmt er an,
dass das Gefährliche und Nutzlose beim Menschen Abscheu errege und dass,
da die Verdauungs- und Geschlechtsausscheidungen in diese Kategorie fallen,
die genito-anale Gegend zum Mittelpunkt des Ekels wurde; der Mensch
wollte nicht Abscheu und Ekel erregen. Die sociale Furcht, Widerwillen
hervorzurufen, verbunden mit dem animalischen Faktor der geschlechtlichen
Verweigerung, erscheint ihm demnach als das Grundelement des Scham
gefühls. Als weiteres Moment des Schamgefühls kommt dann das rituelle
Element hinzu, besonders die Idee der ceremoniellen Unreinheit. — Von
der Kleidung ist das Schamgefühl ursprünglich vollkommen unabhängig,
denn die primitiven Faktoren desselben entwickelten sich schon lange vor
der Einführung der Kleidung und des Schmuckes. Verf. verfolgt die weitere
Entwicklung des Schamgefühls mit der Zunahme der Civilisation, infolge
deren noch andere Momente hinzutreten und die Auffassung des Scham
gefühls selbst mancherlei Veränderungen erfährt. Wenngleich wir mit seinen
Darlegungen nicht immer uns einverstanden erklären können, so müssen wir
doch zugeben, dass dieselben geistreich und anregend geschrieben sind.
Der zweite Abschnitt (S. 77 — 160) ist dem „Phänomen der Sexual-
Periodizität“ gewidmet. Unter Würdigung zahlreicher Beobachtungen be
schäftigt sich Verf. zunächst mit den Erscheinungen der Menstruation bei
Tieren und Menschen, ihr Verhältnis zur Ovulation und Brunst, sowie ver
schiedenen anderen das gleiche Gebiet streifenden Fragen. Er prüft sodann
die Frage nach dem Vorhandensein einer menstruellen Periodizität beim
männlichen Geschlecht; dass eine solche als absolut sicher anzunehmen ist,
will er nicht behaupten, hält sie aber auf Grund genügender Beobachtungen
für sehr wahrscheinlich. Schliesslich kommt Verf. auf die jährliche Sexual-
Periode bei Tieren und Menschen zu sprechen, im besonderen auf die Tendenz