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B. Referate. Ethnologie.
268. W. Semayer: Beschreibender Katalog der ethnographischen
Sammlung Ludwig Biros aus Deutsch-Neu-Guinea (Astrolabe-
Bai). Mit 22 Tafeln und 245 Textabbildg. in 73 Figuren.
Ethnograph. Sammlungen des Ung. Nationalmuseums, III.
Budapest 1901.
Das Werk bildet eine Fortsetzung des Berlinhafen behandelnden ersten
Teiles (s. Centralbl. f. Anthrop. IY, S. 226). Die Anlage des Bandes ist
so getroffen, dass der Beschreibung der Gegenstände möglichst Abbildungen
der Typen beigegeben sind, ausserdem sind die Notizen des bekannten
Sammlers derart verwertet, dass jedem Gegenstand die zugehörige Beobachtung
oder Schilderung beigefügt ist. Der dadurch drohenden Zerreissung der
Beobachtungen beugt die geschickte Zusammenfassung zu grösseren Gruppen
vor, unter deren Überschrift zunächst eine Einleitung des Sammlers meist
selbst folgt. Die grossen Gruppen des Kataloges sind folgende: Geographisch
ethnographische Skizze der Astrolabe-Bai; Beschreibung der Sammlung:
a) Anthropologische Objekte, b) Ethnographische Objekte: 1. Bauart,
2. Schmuck und Kleidung, 3. alltägliche Gebrauchsgegenstände, 4. Spiel
zeug der Kinder, 5. Tanz, Musik, Religion. — Auf den reichen Inhalt des
Kataloges kann hier natürlich nicht eingegangen werden. Zur Charakteristik
aber genügt es auf zwei Beispiele hinzuweisen, welche genügend den hohen
Wert der Arbeit erkennen lassen. Wir sind gewöhnt, die Verkäufer eines
ethnographischen Gegenstandes auch für dessen Verfertiger zu halten und
beurteilen danach das den Museen zugehende Material. Biro weist nun
nach, dass es bei den Tamol Sitte ist, ihre Geräte, Waffen u. s. w. fort
während zu vertauschen und zu verkaufen. Ausserdem fertigt niemand
Geräte zum eigenen Gebrauch, sondern nur zum Tausch an. Jeder Gegenstand
hat seinen eigenen Anfertigungsort, der sich nicht nur auf ein Dorf, eine
Familie oder einen Mann beschränken, sondern auch sehr weit von dem
jenigen entfernt liegen kann, an welchem das Stück gekauft wird. Zum
Überfluss w r eiss der Verkäufer nun das Dorf anzugeben, w r o er den Gegen
stand seinerseits kaufte, das Dorf kann aber der erste oder soundsovielte
Zwischenhändler sein. — Wenn die Feststellung einer so wichtigen, aber
dem Museologen unauffindbaren Thatsache den Wert der langjährigen Thätigkeit
Biros erkennen lässt, so gilt dies nicht minder von der Sorgfalt, w r elche auf die
Ermittelung einzelner Dinge verwendet wurde. So gelangten in des Sammlers
Hände verzierte Holzstäbchen, w r elche allgemein als Essgeräte aufgefasst und
zumal von den ansässigen Weissen als solche bezeichnet wurden. Biro ermittelt
schliesslich, dass sie Miniatur-Schwirrhölzer sind, welche als Liebeszauber den
Männern von den Mädchen gegeben wurden. Der Katalog bringt daher nicht
nur gut bestimmtes Material, sondern enthält auch eine Reihe von Gesichts
punkten, w r elche für spätere Sammler sowohl wie für die Sammlungen selbst und
deren Leiter oder Bearbeiter von der grössten Bedeutung sind.
G. Thilenins-Breslau.