B. Referate. Ethnologie.
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möglichst getreu nachgeahmt worden. Die Möglichkeit, dass Engano-Speere
nach Popolo gelangen, ist meteorologisch durchaus gegeben.
Gr. Thilenius-Breslau.
262. Ch. Letourneau: La femme en Papouasie et en Afrique.
Revue de l’Ecole ¿’Anthropologie de Paris, 1902. Bd. XII,
S. 373.
Die Papua sind in sociologischer Hinsicht viel weiter vorgeschritten,
als die Australier. Trotzdem ist bei ihnen die Lage des Weibes noch trauriger
als bei ihren südlichen Nachbaren. Das beweist, dass wie bei den Kultur
völkern, so auch bei den Naturvölkern industrieller Fortschritt bei weitem
nicht gleichbedeutend ist mit moralischer Hebung. In Australien existiert
noch der ursprüngliche Clan, der Mann kann seine Frau misshandeln, er
darf und‘soll sie auch unter gewissen Umständen verleihen, er kann sie
aber nicht töten, ohne sich der Rache des Clans auszusetzen, aus dem die
Frau herstammt. Auf den papuasischen Inseln sind nur wenige Clan-Spuren
erhalten geblieben, sodass auch dieser Schutz dem Weib fehlt. Sie hat alle
schwierigsten Arbeiten zu verrichten, ist eigentlich nur die Sklavin ihres
Mannes und kann von ihm umgebracht werden einfach, um seine Lust nach
menschlichem Fleisch zu befriedigen. Kein Wunder, dass unter solchen
schrecklichen Umständen der Selbstmord bei den papuanischen Weibern sehr
häufig vorkommt. Und doch ist die geistige Entwicklung dieser armen
Geschöpfe nicht so rudimentär, als man es glauben könnte: Verf. führt sogar
Dichtungen an, die von ihnen gemacht wurden. Wenn auf der einen Seite
der individuelle Raub, nach australischer Mode, selten geworden ist, so sind
dagegen Raubzüge sehr häufig: der Stamm sucht damit seine Weiberheerde
auf Kosten eines benachbarten Stammes zu vermehren. Polygamie ist allge
mein. Die Verwandtschaft folgt der weiblichen Linie, man glaubt, dass
zwischen Vater und Kind keine Verwandtschaft bestehe, aber der Neffe
besitzt alle Rechte auf die Erbschaft seines mütterlichen Onkels. Dieser
«o sonderbare Gesichtspunkt scheint in den primitiven Gesellschaften all
gemein gewesen zu sein; er zeugt vom völligen Unverständnis des Zwecks
des geschlechtlichen Verkehrs; wenn man ihn aber mit der traurigen Lage
des Weibes bei den Naturvölkern in Vergleich stellt, so spricht er nicht
für die frühere Existenz eines Matriarchats im Sinne des Vorrechts des
Weibes.
Wenn in Papuasien noch einige primitive Zustände auf bewahrt wurden,
so sind sie bei den afrikanischen Negern schon längst verschwunden. Mütterliche
Verwandtschaft ist noch allgemein; Spuren der primitiven Exogamie sind
noch bei den Kaffern zu bemerken. Überall herrscht Polygamie, und wenn
auch die Heirat durch Kauf des Weibes geschlossen wird, so giebt es doch
bei verschiedenen Völkerschaften Ausnahmen, nach welchen dem Mädchen