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B. Referate. Ethnologie.
führen den Inhalt des Glaubens in vermeintlich objektiver Gestalt dem
Gläubigen vor Augen. Selbstbericht
175. Richard M. Meyer: Die Wette. Archiv für Kulturgeschichte.
1903. I, S. 1—17.
Da die gegenwärtige Völkerkunde sich mit den Spielen der Völker
so viel beschäftigt, so wird als eine Art Parallele dazu die vorliegende
Untersuchung über Wesen und Ursprung der Wette für sie sich einiger
Beachtung empfehlen. Die Wette unterscheidet der Verfasser von anderen
Arten des Kampfes durch die folgenden Merkmale: 1. Die Beteiligten dürfen
sich in keiner Weise um Herbeiführung des Sieges bemühen. 2. Sie ist
im allgemeinen ein Wettkampf mit gleichen Einsätzen. 3. Ihr Ausgang
wird von einer höheren Instanz bestimmt. 4. Sie ist ein Messen geistiger
Kräfte. 5. Sie ist ein Kampf auf gegenseitige Verabredung. Die Wurzeln
der Wette liegen zunächst in der allgemeinen Neigung primitiver Menschen
zum spielenden Kampf. Das Besondere der Wette erblickt der Verfasser
aber darin, dass dabei „Zwei gewissermaassen ihre Geister zum Kampf mit
einander herausfordern“, ln einer nahen Beziehung steht die Wette dabei
zum Prozess, der ursprünglich nur eine geregelte Wette ist. In einer Zeit,
in der das Bitten und Schenken wenig verbreitet war, war die Wette neben
dem Kriege das wichtigste Mittel zur Bereicherung. J. Vierkandt-Berlin.
176. Leo Frobenius: Die reifere Menschheit Bilder des Lebens,
Treibens und Denkens der Halbkulturvölker. Hannover,
Verlag von Gebrüder Jänecke, 1902.
Im Vorwort kündigt sich dieses Buch als Fortsetzung des früher an
dieser Stelle besprochenen Buches „Aus den Flegeljahren der Menschheit“
an; wie jenes die Naturvölker, so wolle das vorliegende die Halbkultur
völker kennzeichnen. Den Erwartungen, die der Leser daraufhin wie auch
auf den Titel hin fassen könnte, entspricht das Buch jedoch nicht ganz.
Nur eine einzige Seite aus dem Leben der in Betracht kommenden Völker
wird geschildert, und auch diese nur in Form einzelner Skizzen, die sich
überdies zum Teil wiederum mit den Naturvölkern beschäftigen. Das Buch
macht so den Eindruck einer kleinen Reihe unter sich innerlich verbundener
Essais — womit wir über seinen Wert freilich durchaus nichts Nachteiliges
äussern wollen. Könnte man ja doch fragen, ob nicht bei dem heutigen
Stande der Völkerkunde zumal für populäre Zwecke diese Form besondere
Vorzüge hat.
Das Buch handelt vom Verhältnis des Menschen zur Tierwelt.
Zunächst führt es an einer Reihe von Beispielen drei verschiedene Typen
und Stufen von Tierlabeln vor: die Naturfabel, welche in naiver Teilnahme
gute und böse Züge der noch als wesensverwandt empfundenen Tiere dar