B. Referate. Ethnologie.
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156. S. Masslowski: Galtscha, die Urbevölkerung Turkestans.
(Russ). Russische Zeitschrift f. Anthropologie 1901. Jahrg. II,
No. 2.
Die Namen Tadschik und Galtscha sind nicht gleichbedeutend.
Ersterer Name entspricht einem ethnographischen Begriffe und umfasst in
sich einen zwar gemischten, aber durch bestimmte Rassencharaktere sowie
durch Zugehörigkeit zum Islam ausgezeichneten Volksstamm, der die Tief
ebenen und breiten Hochebenen Turkestans bevölkert. Galtscha dagegen
ist Sammelnamen, bedeutet „Fremdling“ oder verächtlich „Barbar“ im
Munde der Tadschiken und begreift in sich eine Reihe bergbewohnender
Stämme, die, ohne einfach als Bergtadschik hingestellt werden zu dürfen,
die anthropologischen Grundelemente des heutigen Tadschikvolkes hervor
treten lassen. In jenem Labyrinthe, das den Südosten Turkestans ausfüllt
und dem Himalaya dicht angrenzt, können nun, wie der Vf. aus eigener
Anschauung nachweist, 5 Grundtypen von Bergvölkern unterschieden werden,
nämlich Stämme von arabischem, jüdischem (nicht semitischer Herkunft!)
slavischem, armenischem, endlich ost-iranischem Typus. Den alpinen euro
päischen Rassen entsprechend, zu welchen die Ossetinen des Kaukasus einen
unverkennbaren Übergang bilden, sind die ost-iranischen Galtscha, vor allem
die sog. Jagnoben, überallhin in den Gebirgen Turkestans verbreitet. Von
einer anthropologischen Einheitlichkeit kann indessen bei dieser Gruppe
der sog. Galtscha wohl nicht die Rede sein; finden sich doch neben einem
hochwüchsigen brachycephalen armenoiden Typus mit ungeheuren gebogenen
Nasen in dem fast vollständig von Haaren bedeckten Antlitz Individuen
iranischer Rasse, ultrabrachycephal, klein von Wuchs, rundgesichtig, mit
stark deformiertem Schädel. Gemeinschaftlich nur ist beiden, sowie auch
sonst den meisten Galtscha ein unsäglich hartes Dasein inmitten nackter
Felsen, zwischen denen sie als echte Höhlenbewohner, im Kampfe mit
Beulenpest, Kropf und immerwährenden Hungersnöten, aber frei von jeg
lichem religiösen oder staatlichen Zwange sich bewegen. Neben ost-ira
nischen Galtschastämmen haben insbesondere auch Galtscha von arabischem
und jüdischem Typus zur Bildung des heutigen Tadschikvolkes das ihrige
gethan. In ursprünglichster Form haben sich, linguistisch und somatisch
anthropologisch, unter den Galtscha nach Ansicht des Vf. die Jasgidonen
und Jagnoben erhalten. Wenn nun im Gegensatz zu diesen hochgradig
brachycephalen Stämmen die ältesten centralasiatischen Schädel, die wir aus
jenen Gegenden besitzen, sich als ausgesprochen dolicho'cephal herausgestellt
haben, so scheint uns des Vfs. Meinung bezüglich der Ursprünglichkeit der
Raltscha durch diese Thatsache in keiner Weise widerlegt, vielmehr kann
es sich hier, wie auch in anderen analogen Fällen, wiederum nur um die
Frage handeln, wer waren jene uralten Langschädel und wo sind sie ge
hlieben? Mit der Hypothese, dass gewisse afghanische Zigeunerbanden