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Volltext: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde, 2.1956

Zur musikalischen Praxis des mecklenburgischen Volkstanzes 
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Mittags langten sie dort an, gespielt wurde bis morgens 5—6 Uhr, und dann ging 
es die Tour zurück. 
Der mecklenburgische Bauer alter Prägung nimmt zum „Musikanten“ eine 
Haltung ein, die aus der Perspektive seines Gesichtsfeldes bestimmt ist. Mancher 
mag wohl den Ernst der Arbeit der Musiker überhaupt bezweifeln, oder er schätzt 
sie im Gefühl des „Herr im Hause“ nur gering ein. Für solche Fälle treffen die 
von WOSSIDLO mitgeteilten Redensarten zu: „Platz hier“, seggt de Buer to’n 
Muskanten, „dor kann noch’n Minsch sitt’n.“ „Hunn’ und Muskanten in de Eck, 
Mudder will danzen.“ 
Von dem erwähnten Fischer und Musiker BOBZIEN teilt mir Herr Dettmann 
die folgende Begebenheit mit: In Rüting-Steinfort ist Hochzeit. Der Bauer fragt 
seine Frau: „Mudder, soell’n de Muskanten ok Zucker öwer’n Ries hebb’n?“ 
,,N’ Schät soell’n’s hebb’n“, lautet die Antwort. Großzügigkeit und Verständnis 
spricht auch gerade nicht aus dem Angebot, das allen meinen Gev/ährsleuten in ihrer 
Laufbahn gemacht ist. „Muskanten, ji kriegt 00k 50 Pf., spält mal drei für die Tür.“ 
Besondere Empörung ruft es bei den Musikanten hervor, wenn sich jemand im 
Saal während der Spielpause erdreistet, grell auf den Fingern zu pfeifen und laut zu 
drohen: „Muskanten lustig, orer ji kriegt Schacht!“ Die Musiker kennen ihre be 
sonderen Freunde; B. berichtet: „Wenn uns dei, de ni wat utgäb’n, ümmer in de 
Uhr’n ligg’n, wie soellt dit un’ soellt dat spälen, denn mak’n wi n’ krumm’ Finger; 
dat bedüdt, dat’s n krummen Deubel.“ Das bekannte Wort: „Hebb’n de Muskanten 
all Schacht kräg’n?“ weist auf die ältere Zeit der zweitägigen Erntefeste. Selbst 
die Hoch-Betagten unter meinen Gewährsmännern wissen derartiges nicht mehr zu 
berichten. Wenn man am Schluß des alten Erntefestes der Sache überdrüssig 22 ) zu 
werden begann, schaffte man sich durch solche Rauferei eine Abwechslung eigener 
Art, die mit dem Verhalten von Kindern zu vergleichen ist, die ihre in stunden 
langem Bemühen aufgebaute Sandburg schließlich mit einer Lust an der Zerstörung 
zerstampfen und zerspringen. 
Ein Rest der Fragwürdigkeit, die einst die „Fahrenden Spielleute“ kennzeichnet, 
klingt durch die Worte des Bauern, wenn er die Musikanten „Rackerpack“ und 
„Rümdriwers“ nennt. 
Nicht ohne Schadenfreude erzählen mir daher die Musiker die folgende Ge 
schichte vom vergeblichen musikalischen Bemühen eines Bauern in Cramon, der 
für den Posaunenchor die Tuba spielen will. Er sitzt in der Stube hinter dem Ofen 
und übt. Die Nachbarin, Murre Börmksch, hört die sonderbaren Töne und glaubt, 
sie kämen wider alle natürliche Ordnung aus dem Kuhstall des Bauern. Sie erscheint 
in der Tür, sieht den Bauern hinter dem Ofen nicht und ruft erschrocken in die Stube: 
„Mein Gott, Heinrich, bullt juch Kauh all wedder?“ Mit dieser unfreiwilligen 
Kritik war die musikalische Laufbahn des Cramoner Bauern zu Ende. 
Man muß sich freilich hüten, die Dinge nur in einseitiger Beleuchtung darzu 
stellen. Wenn der Mecklenburger sagt: „Ja, as t’ Fingerieren noch keen Mod’ wier, 
künn’k 00k Klasnett’ spälen“, so spricht das für einigen Respekt vor der Finger 
! ) H. Fornaschon, a. a. O., S. 63.
	        
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