Aus allen Erdtheilen.
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sehen, welche durch Senkung in drei oder vier Streifen
von verschiedener Höhenlage getheilt worden waren. War
cs schon unheimlich, über diesen noch keineswegs zur Ruhe
gekommenen Boden zu schreiten — obwohl die Neugierde
viele Besucher aus der Stadt herbeiführte — so war es
noch weniger räthlich, sich dem Rande der eigentlichen
Mazamorra zu nähern, denn einerseits konnte ein unvorher
gesehenes Weiterfressen der Mazamorra stattfinden, anderer
seits rieselte das Geröll ununterbrochen von der Bergseite
herab. Hart neben diesem letzteren Punkte, ein wenig ober
halb desselben, standen noch einige Jndianerhütten, deren
Insassen, wie mau von weitem wahrnehmen konnte, unruhig
ein- und ausgingen, unschlüssig, ob sie den Platz räumen
sollten oder nicht, während ein Geistlicher mit mehr Un
erschrockenheit als Klugheit sich davor postirt hatte und,
Weihwedel und Rauchpfanne schwingend, das Unheil durch
bas 8alv6 und den Rosaris zu beschwören suchte. Leider
mußte dem Pfarrer in der Presse zu Gemüthe geführt
werden, daß es seines Amtes nicht sei, die unwissenden In
dianer durch unsinnige Behauptungen, wie z. B. die Griugos
(Ausländer) seien an dem Unglücke Schuld und dergleichen
Albernheiten mehr, zu fanatisiren.
Außer den fünf spurlos verschwundenen Hütten fielen
noch fünfzig andere zusammen, deren Insassen sich aber
retten konnten, weil der Absturz nicht bis zu ihnen reichte.
Dagegen war der größte Theil ihrer Felder vernichtet,
d- h. für viele Fahre hinaus war die Mazamorra, in welche
sich die Ackerkrume hinein verloren hatte, nicht anbaufähig.
Längs der Bergwand nämlich zog sich, wie früher erwähnt,
eine Rinne oder Einsenkung hin, die aber so unbedeutend
angedeutet war, daß man von Thalbildung nicht sprechen
konnte. In dieser Einsenkung, die 4 km von Tembladerani
in einem tiefen Kessel endet, lagen die Kulturen, die nun
in einen mit Wasser gesättigten Mergel umgewandelt waren.
Jener Kessel selbst machte aber auf den Beschauer einen
beängstigenden Eindruck, denn hier offenbarte sich die un
berechenbare, unglaubliche Gewalt der Naturkräfte in un
geahntester Weise. Eine der ihn umgebenden Anhöhen ist
mit einer niedlichen Kapelle gekrönt, von der aus man einen
herrlichen Ausblick auf die hier sich kreuzenden Hochthäler
und den Jllimani hat. Von der Kapelle führte ein steiler
Pfad in den mit gelbblühendcn Sträuchern bewachsenen
Nessel hinab, um sich ebenso steil an der gegenüberliegenden
Anhöhe hinaufzuwinden. Zur gleichen Stunde, zu welcher
die beiden Ansiedelungen zerstört wurden, füllte sich dieser
ungeheure Raum zur Hälfte mit Mazamorra, die aber
nicht zugeflossen, sondern nur das Ergebniß des 4 km davon
entfernten Druckes der Gcröllablösnng war. Die ganze
^cgetation, die, so ärmlich sie auch war, in dieser geschützten
Vertiefung den steinigen, harten Alluvialboden schmückte,
war verschwunden.
Unter dem Boden des Kessels mußte das Alluvium von
den keinen Abfluß mehr findenden Wassern erweicht und
nun in die Höhe gehoben worden sein. Mit einem Worte,
cs sah aus, als ob ein Teig durch die Hefe zum Aufgehen
gebracht worden wäre. Nach einem Vierteljahre war die
Oberfläche wieder trocken und es führte ein neuer, nunmehr
sehr abgekürzter Pfad über die erhärtete Masse. Während
20 Tagen dauerte an verschiedenen Punkten das Aufquellen
(la ebullición) der Erde, und es bildeten sich selbst kleine
Teiche. — In den dreißiger Jahren löste sich die Hälfte
eines am Nordrandc der Stadt gelegenen Alluvial-Kegels
von der anderen ab und glitt zum Schrecken der Einwohner
während einiger Zeit langsam dem dortigen Stadtviertel
zu, kam aber glücklicher Weise noch rechtzeitig zum Stillstand.
Auch schon von früheren Zeiten her existiren Ueberlieferungen
über Ortschaften, die durch Mazamorras zerstört worden
sind. Im Jahre 1600 verschwand z. B. das Dorf Acho
call a unter den gleichen Umstünden wie Llojcta und Tem-
bladerani, mit welchen es damals in der gleichen Höhe
gelegen war. Später entstand wieder eine Ortschaft an
derselben Stelle, aber bedeutend unter dem Niveau der beiden
genannten Orte. 33 Jahre vorher hatte sich ein ähnlicher
Fall ereignet. Ein altes Manuskript berichtet darüber:
„Im Jahre 1567 existióte ans die Entfernung von einer
Legua von Chuquiapo (heute La Paz) ein Anco-anco
genanntes Jndianerdorf, in welchem die Sittenverderbniß
allgemein war; in dem gleichen Jahre strafte es Gott wie
die verruchten Städte (Sodom und Gomorra), denn die Erde
verschlang es und seine Stelle war nun von einem sumpfigen
Teiche bedeckt." Es ist wohl möglich, daß das alte Auco-
anco mit Tembladerani identisch ist, welches seit jener Zeit
diese Bezeichnung getragen zu haben scheint, denn Tcm-
bladerani stammt unstreitig aus dem Spanischen und mag
mit „die Stelle, die zittert" übersetzt werden. Llojcta ist
hingegen ein echtes Aymara-Wort, welches „Zusammen
gestürzter Ort" bedeutet.
Im vorliegenden Falle war der Gürtel, der die Maza
morra umschloß, noch zu stark, um durchbrochen zu werden;
das bleibt aller Wahrscheinlichkeit nach späteren Zeiten vor
behalten.
Die Indianer haben für alle diese Vorkommnisse, Erd
beben u. s. w. nur eine Erklärung: „Die heilige Jungfrau
steht ans einer Schlange. Wenn die Schlange ihren Schwanz
bewegt, so zittert die Erde." Die nächste Wirkung, welche
die Katastrophe auf die davon betroffenen Indianer hervor
brachte, war, daß sie sich in einen Zustand fortwährender
Betrunkenheit versetzten und weder zur Vernehmung noch
zum geordneten Empfang der für sie eingegangenen milden
Spenden herbeigezogen werden konnten. Man möchte bei
nahe glauben, diese Rasse sei zu ewiger Knechtschaft und
Unwissenheit verdammt.
Aus allen Erd theilen.
Asien.
- Capus und Bonvalot, die französischen Rei
senden, welche das kühne Wagstück unternommen haben, m
Winter das Pamir-Platean zu überschreiten (vergl. ,,Mobu,' ,
Bd. 51, S. 271), solleu unterwegs zweimal angefallen und
ausgeplündert worden und ohne Mittel in -rsehllnil ange
langt sein. Die englische Regierung hat ihnen <?t st ge
sendet.
Afrika.
— Ueber die ehelichen Verhältnisse in Kamerun
erzählt Dr. M. Büchner in seinem „Kamerun" (S. 31 ff.)
wie folgt. „Je nach dem Reichthum des Mannes richtet sich
die Anzahl der Frauen, die er besitzt. King Bell soll, so
viel ich weiß, deren 80 haben, doch dürfte die gewöhnliche
Ziffer sich zwischen 2 und 8 bewegen. Die Weiber sind das
Kapital des Mannes, und die Kinder, die er ans ihnen zu
erzielen hofft, sind seine Zinsen. Unfruchtbare werden daher