Leben in den Faktoreien bei Sherbro.
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Jahren, welche er mit eifersüchtigem Auge bewacht, groß
füttert und dann auch zu der Ehrenstellung feiner Frauen
avancircn läßt.
Der Ehebruch ist hier etwas alltägliches, doch wird
derselbe von dem schuldigen Liebhaber durch eine mehr oder
weniger große Geldstrafe gebüßt. Ehe England das Küsten
gebiet annektirte, hatten sich selbst die Weißen diesem Landcs-
gesetze zu unterwerfen, und da von ihnen stets die beste
Buße einzuziehen war, sandte mancher schwarze Ehrenmann
seine hübschesten Frauen in die Faktoreien, damit sie durch
ihre Reize den Weißen bestrickten und zum unbewußten
Ehebrüche verleiteten. Jetzt ist der Zwang freilich nicht
mehr da, aber mancher Weiße wird sich in gleichem Falle
zu einer kleinen Buße verstehen, und zwar aus geschäft
lichen Rücksichten, wenn die Schöne z. B. einem größeren
Fürsten gehört, der bei Verweigerung der Entschädigung
seinen Unterthanen verbieten würde, mit der betreffenden
Faktorei fernerhin Handel zu treiben.
Ist die Beurtheilung des Ehebruchs schon eine sehr
milde, so wird der Diebstahl überhaupt nicht als etwas
Entehrendes, als Verbrechen oder Vergehen betrachtet, ja,
bei einzelnen Stämmen, z. B. bei den Kru-Negern, gilt
die glückliche Ausführung eines solchen als clever trick
(gescheidter Streich). — Die Gallinas-Neger und Negerin
nen sind sammt und sonders Diebe, eine ehrliche Seele
darunter zu treffen, würde viel schwieriger sein, als im
deutschen Vaterlande das Gegentheil ausfindig zu machen.
Die Faktoreien leiden außerordentlich durch diese ewigen
Verwechselungen des Mein und Dein und gehört es zur
Hauptaufgabe des Agenten und der Clerks, auf alle Ein
geborenen, möge es nun der eigene Diener, Bauer oder
Fürst sein, ein wachsames Auge zu haben. Bei den letzteren
begnügt man sich im Geschäftsinteresse damit, einfach das
gestohlene Gut zurück zu nehmen, alle anderen Neger läßt
nian jedoch unnachsichtlich an einen kräftigen Baum binden
und gehörig durchpeitschen. Solche Lynchjustiz ist immer
das beste Mittel, denn die Auslieferung des Attentäters
an die schwarze Ortspolizei, mit deren Moral es übrigens
auch nicht sonderlich bestellt ist, schreckt viel weniger ab und
verursacht auch dem Ankläger große Unannehmlichkeiten.
An Ort und Stelle kann nämlich Niemand abgeurtheilt
werden; man transportirt die Gefangenen entweder nach
Sherbro, oder bei schwereren Sachen gar nach Freetown,
damit sie dort Urtheil und Strafe empfangen. Dies ist
eine Entfernung von zwei resp. drei Tagen, und muß zur
Aufrechterhaltung der Klage nicht nur der Geschädigte
selbst oder dessen Vertreter sich dorthin begeben, sondern
derselbe hat auch für Anwesenheit seiner Zeugen bei
der Gerichtsverhandlung zu sorgen, was beides wegen
der Mangelhaftigkeit der Kommnnikationswege und der
Zeit, welche dabei verloren geht, manchmal undurch
führbar, immer aber mit der größten Schwierigkeit ver
knüpft ist.
Mord ist das einzigste Verbrechen, welches auch das
„country-law“, der Brauch der hiesigen Neger, mit dem
Tode bestraft; da jedoch die meisten Mordthaten vermittels
vegetabilischen Giftes, an dem die Tropenpflanzen reich
sind, verübt werden und sich daher der wirkliche Thäter
schwer ermitteln läßt, so wird der Gerechtigkeit wohl selten
Genüge geschehen. Man pflegt sich in einem solchen Falle,
der ein Sühnopfer erheischt, vertrauensvoll an den nächsten
Hokuspokus treibenden Zauberer zu wenden, und dieser
würde sein ganzes Renommee verlieren, wenn er den
Thäter nicht ansfindig machte; er liefert also immer eine
Person an das Messer, sei es nun der Schuldige oder ein
Unschuldiger.
Da Aberglauben aller Art feste Wurzeln im Gemüthe
der Eingeborenen geschlagen hat, sind die Zauberer hoch-
angesehene Leute und erlangen durch Verkauf der tollsten
Arzneimittel und Amulette stets reichen Verdienst. Da
giebt cs Medicin gegen Kriegsgefahr, gegen Krankheit,
Schlangenbiß und gar eine solche, die den Besitzer vor Ent
deckung schützen soll, wenn er auf Diebstahl ausgeht. Dieses
Mittel wird natürlich nur im Geheimen verkauft, denn der
Weiße versucht, des Betrügers habhaft zu werden und ihn
zu bestrafen, da dessen Anwesenheit in der Nähe der Faktorei
immer die reine Diebstahlsepidemie im Gefolge hat. Fol
gende Geschichte hörte ich in Lavanah: „Es verlautete schon
seit einiger Zeit, daß im benachbarten Dorfe ein Zauberer
sein Wesen triebe, und seitdem wurden immerfort Waaren
vermißt, besonders aber dem in Demijohns befindlichen
Rum tapfer zugesprochen. Alles Aufpassen wollte nichts
nützen. Da kam der Agent ans den Gedanken, die am
meisten exponirten Rumflaschen mit einem starken Abführ
mittel zu versetzen, und siehe da, am anderen Morgen stellte
sich nur der dritte Theil der Arbeiter ein, die übrigen hatten
heftiges belly-ache (Bauchschmerzen). Diese machte man
nun natürlich für alle Verluste verantwortlich, indem man
ihren Gehalt, der der Regel nach monatlich ausgezahlt
wird, entsprechend verkürzte."
An wilden Thieren giebt es hier eine Art kleiner Assen,
Schlangen, Leoparden, Tigerkatzen, wilde Katzen und im
Flusse eine Menge Alligatoren. Die meisten dieser Thiere
halten sich mehr im Hinterlande auf und zeigen sich selten
in der Nähe der Faktoreien, doch verirren sich wohl mal
Schlangen in dieselben und finden dann immer in den
Lagerräumen oder auch im Aborte reichliche Nahrung an
Insekten, Ratten und Mäusen. Bei Bewegen von Waaren-
ballen und Kisten, die in unbewohntem Raume längere
Zeit gestanden haben, hat man vorsichtig zu Werke zu
gehen, denn solche Plätze sind der Lieblingsaufenthalt dieser
Thiere, von deren Arten einzelne sehr giftig sind. Die
größte hier lebende Species ist die Pythonschlange, die eine
Länge von 18 Fuß erreichen und ungeheure Muskelkraft
besitzen soll. Auch der Leopard wagt cs wohl einmal Nachts
über den Plankenzaun in die Faktorei zu springen; er
nimmt junge Schafe, Ziegen oder Hunde mit sich und ist
nach Ergreifung der Beute so schnell wieder verschwunden,
wie er zuvor erschien. Wilde Katzen wurden vielfach durch
die in der Faktorei befindlichen zahmen zur Abstattung von
Besuchen verführt und gelang es dann wohl, besonders
hübsche Exemplare einzufangen. Schon nach acht- bis
vierzehntägiger Einsperrung haben sie ihre Wildheit ab
gelegt; freigelassen bleiben sie in der Faktorei und unter
scheiden sich nur noch von den zahm geborenen Katzen
dadurch, daß sie außer aus Ratten und Mäuse auch wohl
auf Tauben Jagd machen.
Kontinuirliche Fieberanfälle, die mich sehr geschwächt
hatten und meine Gesundheit völlig zu untergraben drohten,
zwangen mich, schon Ende September wieder die Heimreise
anzutreten. Nach den Erfahrungen, die ich selbst gewonnen
habe, und den eingehenden Mittheilungen, die mir von vielen
weißen Leidensgefährten, die in anderen Strichen der westafri
kanischen Küste thätig waren, gemacht worden sind, kann ich
jeden Landsmann nur davon abrathen, meinem Beispiele zu
folgen und sich durch den in Aussicht stehenden großen peku
niären Gewinn verlocken zu lassen, die festeste Gesundheit ein
zubüßen und das Leben selbst in die größte Gefahr zu bringen.
Globus XLVII. Nr. 16.
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