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Dr. Alois Closs,
Felszeichnungen in Skandinavien 2 und überhaupt alles Archäologische 3 , das
Volkskundliche als Residuum früherer Kulte 4 , besonders aber die skandi
navische Ortsnamenforschung 5 . Innerhalb der heimatlichen Überlieferung
in germanischem Sprachgewande haben sich die Edda, Snorris Werk und die
Skaldendichtung 6 im allgemeinen das durch Sophus Bugge geschädigte An
sehen als einer verläßlichen Quelle für die Erkenntnis altgermanischer
Religion und Kultur in beträchtlichem Ausmaße zurückerobert 7 ; empor
gestiegen ist in der Wertschätzung für religionsgeschichtliche Zwecke speziell
die Heldensage 8 , ganz .besonders aber, ein drastischer Beweis für den Vor
marsch des nordischen Gedankens auch auf diesem Gebiete, die isländische
2 Ausgezeichnete Erörterung im Artikel „Felszeichnungen“ bei Ebert, Reallexikon
f. Vorgeschichte von O. Almgren. Vom selben Autor das die ersten Untersuchungen
von Montelius und Baltzer weit überholende Werk: „Hällristningar och Kultbruk“,
Stockholm 1927, jetzt in vermehrter Ausgabe und deutscher Übersetzung: O. Almgren,
Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden, Frankfurt a. M. 1934.
Aus den zahlreichen Objekten seien besonders die Goldhörner von Gallehus (5.
Jahrh. n. Chr.) hervorgehoben, welche germanische Götterbilder zeigen (P. Gustav Neckel,
Über die Götter auf dem goldenen Horn von Gallehus, Z. f. d. A., 1921, 225 ff.). Über
germanischen Götterdienst in der Vorgeschichte handelt G. Kossinna in „Mannus“ 7, Erg.-
Bd. 1929. Kritische Gesichtspunkte zur religionsgeschichtlichen Auswertung vorgeschicht
licher Altertümer mit besonderer Rücksichtnahme auf die Germanen trägt bei: B. Fr. v.
Richthofen (Mitt. d. Wiener Anthr. G., 1932, S. 110—144).
4 Seit W. Mannhardt, „Wald- und Feldkulte“, Berlin 1877, schätzte man den Kult
für das Verständnis der altgermanischen Religion höher ein als den Mythos. Diese Kulte
setzten sich fort im Volksbrauch. Die Bedeutung der Volkskunde für die germanische
Religionsgeschichte würdigt F. Maurer, Zeitschrift für deutsche Bildung, 1928, 186 ff.;
eine Warnung vor dieser Methode durch Jan de Vries: Germ,-Rom. Monatsschrift
1932, 27 ff.
5 Die führenden Forscher auf diesem Gebiete sind Magnus Olsen, Jöran Sahl-
gren und Elias Wessen.
6 Für die Beurteilung von Kenningar ist maßgebend Rudolf Meissner, Die
Kenningar der Skalden, Bonn und Leipzig 1921.
7 Die Umkehr hinsichtlich der Edda begann mit dem Archäologen Worsaae. Sie
wurde gefördert durch Moltke Moe, Axel Olrik und Finnur Jonnson. Ein für heute
ungewöhnlicher Grad von Skepsis zeigt sich in der Schule E. Mogk’s (ders., „Zur Be
wertung der Snorra Edda als religionsgeschichtliche und mythologische Quelle des nord-
germ. Heidentums.“ Bericht über die Verh. der Sächs. Akad. 1932); so bei B. Kummer,
„Mitgards Untergang“ (Veröffentlichungen des Forschungsinstitutes für vergleichende
Religionsgeschichte an der Universität Leipzig, 1927), wenn er von Eddaliedern als ledig
lich einer Erfindung von ’Vorzeitschwärmern, Dichtern und Mythologen (den Skalden)
spricht. „Der Norden hat in der Edda der Religionswissenschaft ein Danaergeschenk
gemacht ... Germanischer Glaube ist etwas anderes als der Glaube der Edda.“ (Ebd.,
S. 1.) Der Sprachschatz der Edda steht allerdings dem Südgermanischen näher als der
isländischen Sagenliteratur. E. Sievers glaubt in seinen klanglichen Untersuchungen zur
Edda (Leipzig 1923) die norwegischen Bestandteile von den isländischen und grönlän
dischen, die nur einen geringen Bruchteil ausmachen, trennen zu können.
8 A. Heusler, „Geschichtliches und Mythisches in der germanischen Heldensage“,
Berliner Sitzungsberichte, 1909. Vor allem war der germanische Königsfetischismus, von
dem es viele Spuren gibt, ein Bindeglied zwischen Historischem und Mythologischem, wie
R. Much (Z. f. d. A., 1924) für Baldr-Helgi nachgewiesen hat.