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zu haben . Formen - und Farbensinn gehen ihnen gänzlich ab ; Bequemlichkeit ist ein Wort , dessen Sinn sie gar nicht verstehen .
Alle Behausungen der Mensa sind backofenartige Hütten aus wirr durch - und übereinandergeworsenem Reisig . Biegsame , ziemlich starke Schößlinge bilden ein Gerüst , über welches man Reisholz schichtet . Niemals giebt man sich . Mühe , den erbärmlichen Bau so zu dichteu , daß er als Schutz gegeu das Wetter angesehen werden kann . Der Rauch findet freien Abzug , der Regen ungehinderten Zugang . Eine kleiue , niedrige Thür führt in's Innere des hohlen Reiserhaufens . Hier gewahrt man dieselbe Unfertigkeit wie außen . Anstatt des weichen , federnden Ankhareb , einer ganz vortrefflichen , über den Boden erhöhten Lagerstätte aus Holz - und Flechtwerk , sieht man einen elenden Schlafplatz : aneinander gereihte Stäbe , welche auf Querhölzern ruhen , die ihrerseits wieder von . oben gegabelten Pfählen getragen werden . Diese Bettstätte ist in der Regel mit einer Hütte in der Hütte , mit einem laubenähnlichen Bau aus Reisern , überdacht , uicht aber überdichtet , denn der Regen durchnäßt anch deu hier Schlafenden , als ob er gar keine Bedachung über sich habe .
Außer einigen irdenen Töpfen , dem unentbehrlichen Reibstein , auf welchem das Getreide zerkleinert wird , einem großen topfartigen Getreidespeicher aus lufttrockenem Schlamm , einer Axt , welche wegen ihrer Unbranchbarkeit geradezu die Lachlust herausfordert , und einigen Schläuchen und Ledersäcken sieht man keine Gerätschaften im Innern der Hütte .
Ungleich besser sind diejenigen Wohnungen in Mensa , bei deren Bau die Natur selbst mit thätig war : Höhlungen unter und Klüfte zwischen den großen Blöcken in der Nähe des Dorfes , welche eben nur überdacht oder umkleidet zu werden brauchten .
Eine niedere Dornenhecke pflegt die Wohnungen einer Familie oder mehrere Hütten zugleich zu umschließen . Gewöhnlich ist ei« Platz innerhalb der Umzäunung zn einem Gärtchen hergerichtet . In ihm baut man ausschließlich Tabak ; denn dieses edle Kraut rauchen und kauen beide Geschlechter unserer Gebirgsbewohner leidenschaftlich gern .
Mensa besitzt nur Ein öffentliches Gebäude , die Kirche . Sie ist eine Hütte von etwas anderer Bauart , obwohl sie das Gepräge der hier üblichen Baukunst nicht im Geringsten verleugnet . Ihre Lage ist amnuthig . Sie liegt beinahe versteckt zwischen Grabhügeln , deren blendend weiße Kegel auf weithin schimmern . Das Innere des Gotteshauses betrat ich nicht , weil der Zugang nur Sonntags gestattet ist und ich an den verschiedenen Sonntagen krank oder sonstwie verhindert war .
Weit wichtigere Orte als die Kirche sind einige Bäume im Dorfe , unter denen vom Morgen bis znni Abend wenigstens Einige der edlen Bewohner des Dorfes anzn - treffen sind , scheinbar in ernsten Geschäften . In der That werden unter diesen Bäumen die der G^sammtheit wichtigen Dinge berathen , und sie sind sonnt gewissermaßen mit unseren Rath - und Gerichtshäusern zu vergleichen . Zwischen beiden Theilen der Ortschaft steht eine tausendjährige Sykomore , iu deren Schatten das ganze herzogliche Lager niitsammt den 40 Kameelen , 20 Manlthieren und dem an diesen Thieren hängenden Troß Platz gefunden haben würde . Ich erwählte deshalb vor allen anderen Orten den Platz unter der Sykomore zu uuferm Lager , und bat meinen rasch gewonnenen Freund Fillipini , dort die bereits erwähnten Strohhäuser aufrichten zu lassen . Unser Vor - haben wurde jedoch verhindert . In feierlichem Zuge er - schienen die Alten des Dorfes , um uns zn bitten , diesen
in Mensa .
Baum uicht zu verunheiligen . So lange Mensa gestanden , habe er zu Versammlungen des ganzen Stammes seinen freundlichen Schatten geboten , und jeder Mensa sähe ihn als einen heiligen Ort an . Die Leute sprachen so ernst und würdig , uud ich kannte von meiner ersten Reise her die Ehrfurcht der Jnnerafrikaner vor derartigen Bäumen und bezüglich die Folgen einer Verletzung solcher Ehrfurcht so gut , daß ich uach einigen vermittelnden Worten ohne Weiteres von meinem Borhaben abstand . Es beleidigte mich auch uicht im Geringsten , als ich später sehen mußte , daß unter demselben Baume die pöbelhafte Jugeud des Dorfes sich herumflegelte , oder Rinderherden Mittagsruhe hielten , denn ich hatte es sehr wohl verstanden , daß nur wir , Heiden oder Ketzer in den Augen der Mensa , den Baum vernnheiligt haben würden .
Noch weit wichtiger als die Berathungsbänme sind , ist ein Ort in der Nähe des Dorfes : die Stelle unterhalb des letzteu Felsenwalles im Thale , ans welcher das oben erwähnte Wässerchen zu Tage tritt . Es ist ein ganz reizen - der Ort . Das Gebirge entfaltet neben und um ihn seine ganze Pracht . Das uie versiechende Wasser hat tropische Fülle in's Leben gerufen und erhalten . Ein fast oder ganz undurchdringliches Dickicht umgiebt das Bett des Bäch - leins . Hohe Bäume , namentlich Sykomoren , verleihen ihm einen ewigen Schatten . Nur wenige Lichtstrahlen stehlen sich zwischen den Zweigen dieser Bäume hindurch bis zum Wasser . Das Licht blitzt und glitzert in den Kronen der Bäume , spielt mit den an den äußersten Zweigen schwanken - den Webervogelnestern . Morgens und Abends klingen tausend und andere tausende von Vogelstimmen in das heimliche Dunkel hinein . Den heisern Ruf der Glanz - drossel , welche ihr Prachtgefieder im Strahl der Sonne spiegelt , übertönt der Flötenruf des Würgers , das dumpfe Heulen der Helmvögel , das Rucksen , Girren der Tauben . Zwergantilopen und Frankolinhühner schleichen durch's Gebüsch ; Abends kommt der stolze Aga - seen ( eine mehr als hirschgroße Antilope ) , Nachts Pardel und Löwe hierher zur Tränke . Aber das Thierleben ist nicht das , was ich hier schon schildern will : auch der Mensch belebt diese heimliche , fort und fort segenspendende Stelle , welche seine Ansiedelung oben aus der Höhe erst möglich macht , vou Morgen bis zum Abend . Hierher zieht der Mensa namentlich in den Früh - und Abendstunden in langen Reihen . Das schattige Bett des Wässerchens ist der allge - meine Brunnen , der Wasch - und Badeplatz , die Tränkstelle der Herden . Höchst sonderbare Auftritte , Stellungen , Lagen sieht man hier . Zimperliche Leute finden Gelegenheit znm Errötheu ; den» manche Blöße wird hier offenbar . —
Ich weiß nicht mit Bestimmtheit anzugeben , zu welchem größern Volksstamme die Mensa eigentlich gezählt werden müssen . Der Sprache nach rechnet man sie zu deu Tigr« ; doch sind die Sprachforscher darüber noch nicht ganz einig . Mich hat es von jeher ziemlich gleichgültig gelassen , von woher ein Volk oder Mensch stammt ; ich betrachte mir das eine wie deu andern , wie es oder er ist . Das habe ich denn auch diesmal gethan .
Die Mensa sind schöne , wohlgebaute und wohlgebildete Menschen von licht - bis dunkelbrauner Hautfarbe . Ihre Gesichtszüge ähneln denen der Kankafier mehr als denen der eigentlichen Neger . Das Haar ist etwas gekräuselt , nicht aber wollig ; der Bart ist schwach . Blendendweiß sind die Zähne . Die Männer sind durchgängig schöner als die Weiber .
Beide Geschlechter kleiden sich höchst einfach . Die Männer tragen kurze Beinkleider , welche durch einen Gurt festgehalten werden , und ein langes Tuch , welches um die