202 Schilderungen
wird , als Gradenigo Doge war . Damals wurde das ! „ Goldene Buch " geschlossen , in welchem die zur veuetiaui - scheu Aristokratie oder vielmehr Oligarchie gehörenden Fa - Milien verzeichnet standen . Zn diesen zählten nun auch die Foscari . Der letzte Senator aus der Familie war Frau - cesco . Er hatte zwei Söhne , Nikolaus und Philipp . Der Erstere war 1732 geboren . Er bekleidete die Stelle eines venetianischen Gesandten in St . Petersburg , und verans - gabte als solcher einen großen Theil seines Vermögens ; denn ein vornehmer Patrizier ließ sich seine der Republik geleisteten Dienste von dieser nicht bezahlen . Im Jahre 1792 wurde er zum Bailli iu Konstantinopel ernannt , kümmerte sich wenig mit Geschäfte und starb sehr arm am 11 . August 1811 .
( Sein Bruder Philipp , über dessen Ableben wir nichts Näheres wissen , hatte zwei Söhne und drei Töchter . T^ie Faniilie war nach und nach in dürftige Umstände gerathen ; sie besaß weiter nichts mehr als den Palast und einige mit Handfesten schwer belastete Ländereien . Nun theilten jene fünf Kinder den Palast unter sich , und um ihr Leben zu fristen , verkauften sie die Ahnenbilder , die Gemälde von Titian , Giorgione und Paul Veronese , die Prachttapeten , die Bilderrahmen uud kostbaren Schnitzarbeiten , welche für Meisterwerke Brnstolon's galten . Alles wurde aus Raud und Band gerissen , uud die Juden des Ghetto machten gute Geschäfte .
Der Erlös aus alleu diesen Herrlichkeiten war gering ; im Getümmel der napoleonischen Kriege dachten wenige Privatleute au das Aufkaufen von Kunstsachen , und in Venedig war zu jener Zeit das Geld so rar , daß die Fos - cari aus dem Verkauf jener Gegenstände sich nur mit Mühe das Leben fristen konnten . Die Abkömmlinge der stolzen Dogenfamilie sanken bis auf die tiefste Stufe der Ver - kommenheit hinab ; einige wurden fahrende Komödianten , andere verkauften ihre Reize für Geld , noch andere sind ausgewandert und im Palaste blieben nur zwei Töchter zu - rück . Sie waren so arm , daß sie keine Männer fanden , und zu rechtschaffne um ehrlos zu werden .
Sie also blieben iu dem Palaste , der nun verödet war ; sie schritten durch die Säle , in welchen ihre Vorfahren Könige als Gäste und Verwandte der Familie beherbergt hatten . Da ist zum Beispiel das Gemach , welches König Heinrich der Dritte von Frankreich , nachdem er heimlich sein polnisches Königreich verlassen hatte , sieben Monate laug bewohnte . Eine lateinische Inschrift , welche an diesen Aufenthalt erinnert , steht noch über dent Kamin . In dem uach der linken Seite hin gegenüber liegenden Saale wohnte König Kasimir von Polen mit seiner Gemahlin .
Ich durchwanderte , tief bewegt von so manchen ge - schichtlichen Erinnerungen , die verschiedenen Ruinen . Da führte mein rothhaariger Gondolier mich aus einer , vor - mals geheimen , Treppe vor eine Thür , welche kein Schloß hatte ; statt desselben diente ein Strick . „ Wir wollen hinein - gehen " , sagteer ; „ Sie können sich überzeugen , daß der Palazzo doch noch nicht ganz verlassen ist ; es sind noch Foscari hier . " Ich trat in einen kleinen Saal , dessen zierliches Schnitzwerk durch deu Rauch einer ärmlichen Küche ge - schwärzt war ; an den Wänden hingen noch Fetzen von Seidentapeten herab ; in den Wänden sah ich noch die Rahmen , aus denen man die Bilder ohne große Schonung herausgenommen hatte . Zerbrocheue Töpfe standen und lagen umher , au Nägeln hingen ein paar Kasserole , und das Zimmergeräth bestand aus eiu paar wackeligen Stühleu und Tischen . In einem Nebengemache sah es noch schlimmer aus , weil dort einige Spuren früherer Pracht übrig waren und einen schreienden Gegensatz zu dem Elende bildeten .
aus Venedig .
Jammer uud Alter hatten sogar den Sinn für Reinlichkeit uud Schicklichkeit getödtet . An der Wand hing ein Bild König Christians des Vierten von Dänemark , der einst hier gewohnt hat . Die Inden des Ghetto wollten dieses Bild nicht kaufen , denn aus der Arbeit eiues unbekannten dänischen Malers war keiu Geld herauszuschlagen .
Und welch ein Dunst und übler Geruch iu diesem Zimmer ! Statt des Bettes lag eiue alte Matratze auf ein paar Brettern ; und es preßte mir das Herz zusammen , als eine alte , schwarzgekleidete Frau auf mich zutrat uud mich begrüßte . Das war die Letzte der Foscari !
In einem Winkel saß ihre kranke Schwester , welche gleich ihr die Siebettzig schon längst überschritten hatte . Jene Gräfin Foscari machte trotz der Lumpen , iu welche sie gekleidet war , dennoch deu Eindruck einer vornehmen Dame . Sie sprach vou dem Mißgeschick ihrer Familie ; da fiel ein Sonnenstrahl ut's Fenster hinein ans die arme alte Foscari . Die älteste der beiden Schwestern starb bald nachher ; der überlebenden nahm sich eine fremde , edelgesinnte Fran , keine Italienerin , an , nnd sie gab mir Gelegenheit , das Elend der Armen zu mildern .
Ein paar Jahre später führte mich der Zufall iu eine der vielen Calle , engen Gassen , hinter dem Palazzo Foscari , nnd es siel mir ans , daß ich dort ungewöhnlich viele Leute traf . Bald nachher erschien die Gräfin Foscari . Sie verließ an jenem Tage den Palast ihrer Ahnen ; die Gläubiger hatten ihn subhastireu lassen . Die alte Dame vergoß Thränen , und bald nachher ist sie gestorben . —
( — Den Palazzo Foscari hat dann die österreichische Regierung angekauft uud vor gänzlichem Verfalle bewahrt ; sie verlegte die Kriegsschule dorthin und hat ihn wieder in wohnlichen Stand gesetzt . Sie konnte zwar die alte Pracht uicht wieder herstellen , und diese hätte ja auch unter ganz veränderten Umständen keinen Sinn gehabt , aber sie ließ ihn im Innern wie int Aenßern ordentlich Herrichten . — )
So viel vom Palazzo Foscari . Wir wollen noch einige andere geschichtlich denkwürdige Gebäude betrachten , und fahren in einen Eanaletto ein , in welchem wir die Thürme der Kirchen del Carmine und bei Frari erblicken . Neben der Brücke dei Nomboli oder della Donna onesta , am Eingange zur Via di Ca Cent'anni steht das Haus , in welchem 1707 der Dichter Goldoni zur Welt kam . Die oligarchische Republik war undankbar gegen den ausgezeich - ueten Mann ; die Nobili bekümmerten sich überhaupt nicht viel um Dichter und Schriftsteller . Die Casa Goldoni ist , beiläufig bemerkt , ein allerliebstes Muster eines venetia - nischen Bürgerhauses .
Fast auf Schritt ttnd Tritt werden geschichtliche Er - innerttngen iu uns wachgerufen , in jedem kleinen Kanal und Gäßchen , in jedem Atrio oder Cortile ; der Künstler uud der Forscher siudet überall feine Rechnung . Da sieht man eine Skulptur , welche sofort die Meisterhand verräth , Standbilder der Venns und des Neptun von vortrefflicher Arbeit . Wir fahren weiter nnd gelangen an das Hans des berühmten Reisenden Marco Polo . In der Contrada San Canciano , an der Stelle , welche man jetzt als Bin grando bezeichnet , steht noch ein Theil von Titian's Hanse ; au der Calle della pieta erblicken wir die Büste Alessandro Vittoria's , welcher die goldene Treppe und die schönsten Säle im Dogenpalaste baute . Auf dem Campo silvestre wohnte Giorgio Barbarelli , der Giorgione , welcher sein Hans mit herrlichen Freskobildern geschmückt hatte ; jetzt sind sie verblaßt . Unweit der Kirche del Carmine liegt das Haus des Mohren Othello , der aber kein schwarzer , dickwulstiger Neger war , denn einen solchen hätte eine Desdemona nicht lieben können , das wäre eine widerwärtige Berirrnng des