Globus LXXII. Nr. 24.
47
GLOBUS.
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE.
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND“.
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. >§¡#4 VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN.
Bd. LXXII. Nr. 24.
BRAUNSCHWEIG.
25. Dezember 1897.
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet.
Die nordischen Festgebäckformen, namentlich die Weihnachtsbrote 1 ).
Von S. v. Wadenstj erna.
Man kann mit Bestimmtheit behaupten, dafs hei
allen ackerbautreibenden Völkern die Frucht des Feldes,
es sei in rohem oder bearbeitetem Zustande, einen her
vorragenden Platz unter den Opfergaben eingenommen
hat. Nach hebräischen Urkunden opferte schon der
erste Ackermann die Frucht des Feldes. Dem Gotte
zu Beth-El wurde Brot geopfert und im Tabernakel
gleichwie späterhin im Tempel standen immer 12 Brote,
die sogenannten Schaubrote, ausgestellt. Die Israeliten
opferten jedoch nicht blofs ihrem Gotte, was aus dem
Ausspruche des Jeremias hervorgeht, wo von den Opfern
für die fremden Götter die Rede ist. Es wird erwähnt,
dafs die Frauen Teig bereiteten zur Opfergabe für die
Himmelskönigin, welche wohl identisch mit der hei
Jesaias (65, 11) genannten Meni ist, und die semitische
Göttin der Fruchtbarkeit gewesen sein wird. Aber
nicht blofs bei den Juden allein war dieses Opfer üblich.
Der Sonnengott der Peruaner hatte um seinen Tempel
ein Maisfeld, im Sonnentempel zu Cuzco standen vor
dem in Gold gravierten Sonnenantlitz 12 mit Mais ge
füllte Silbergeräte. Ebenfalls die Azteken in Mexiko
opferten ihren Göttern Mais und in Indien bis nach
Japan ist noch heutzutage der Reis eine allgemeine
Opfergabe. Die alten Ägypter und Griechen benutzten
kleines Gebäck, bei den Romanen war es ein besonderes
Brot und hiefs „Libum“. Nach den Sagen des heiligen
Olof war es auch im heidnischen Norden üblich, täglich
dem Gotte Brot darzuhringen und zwar wurden vier
„lefvar“ geopfert, eine Bezeichnung, die mit dem latei
nischen „Libum“ verwandt ist und ein Bildnis Thors
darstellt, den Hammer in der Hand.
Es liegt nahe, anzunehmen, dafs solche Opferbrote
die Gestalt desjenigen Opfertieres hatten, welches dem
Gotte geweiht war oder ihn versinnbildlichte. Bei vielen
Völkern findet man die kostbaren Opferobjekte durch
ihnen nachgebildete ersetzt, so wie z. B. in China die
gefälschten Geldscheine und die Büffelchen aus Lehm
in Siam. Auch in christlichen Ländern sind solche An
klänge an diese Sitten, z. B. die sogenannten Votiv
bilder aus Wachs und Eisen.
Es ist daher verständlich, dafs man ein so leicht zu
bearbeitendes Material, wie den Teig, zu diesem Zwecke
benutzte.
Die Saat oder das Brot spielte hei den ackerbau-
0 Aus dem Schwedischen von Edvard Hammarstedt in
Samfundet för Nordiska Museets främjande.
treibenden Völkern sowohl zum Feste der Tag- und
Nachtgleiche, als beim Wechsel der Jahreszeiten eine
grofse Rolle. War doch der Landmann mehr als der
Jäger oder Fischer von der alles belebenden Kraft und
Macht der Sonne abhängig und daher wurde bei allen
ackerbautreibenden Völkern diesem Himmelskörper be
sonders viel geopfert. Wenn beim Jahreswechsel die
Erde wieder ihren Kreislauf um die Sonne begann, war
es ja natürlich, sie, die Göttin des Lichts, die Geberin
der Ernte, des Segens, mit Opfern zu empfangen. Nur
in diesem Zusammenhänge lassen sich die eigentümlich
geformten Brote, die man zu Neujahr und anderen Fest
zeiten findet, erklären. Zum Raymifeste wurde bei den
Peruanern aufser Maisöl ein von den Sonnenprieste-
rinnen gebackenes Brot verteilt. In Japan spielt zu
Neujahr und auch zu anderen Festen der Reiskuchen
eine grofse Rolle; die Chinesen opfern an diesem Tage
den himmlischen Mächten gekochten Reis und Reis
branntwein.
Nachdem wir aus dem Vorhergesagten zu beweisen
gesucht haben, dafs ackei'bautreibende Völker die Früchte
des Feldes den Göttern darbrachten, wollen wir uns
dem Norden zuwenden.
Die altnordischen Sagen erzählen allerdings nicht
viel über diese Gebräuche, da wir aber wissen, wie
wenig im allgemeinen darin die häuslichen und reli
giösen Sitten und Gebräuche berührt werden, legen wir
diesem Schweigen keinen entscheidenden Wert bei. Dafs
das Brot im heidnischen Norden zum Opfer gedient,
ist gewifs, und einige noch heutzutage gebräuchliche
Formen verraten ihren alten heidnischen Ursprung.
Die fast abergläubische Pietät, die im Norden der Saat
und dem Brote gezollt wird, tritt uns auf Schritt und
Tritt entgegen. Auch nur die geringste Brotrinde fort
zuwerfen galt und gilt beim Volke für eine grofse Sünde,
ebenfalls das Niedertreten einer Kornähre.
Von allen Back werken galt das Weihnachtsbrot
als das vornehmste und wichtigste; konnte schon ge
wöhnliches Brot, nachdem es gesegnet, Frieden stiften,
war dieses beim Weihnachtsbrote noch mehr der Fall.
Das beliebteste Gebäck hiefs „jullcuse“. Uber die
Herleitung dieser Bezeichnung wird viel gestritten. Es
giebt in der schwedischen Sprache das Wort kosse,
küsse, altnordisch kusi, es bedeutet Bullkalb und ist von
Ko — Kuh herzuleiten.
Die Benennung julkuse ist also gleichbedeutend mit
julkalf = Julkalb und jenes Brot wird wohl die ur-