Bücherschau.
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dimir und Kostroma, vergl. auch Globus 1892, Heft 22,
„Rassenmerkmale der Grofsrussen aus dem Innern
Rufslands“ von Zograf selbst). Zograf kommt zu dem
Ergebnis, dafs der belle und hochgewachsene Schlag
den ursprünglichen slavischen Typus darstelle, der
kleinere, dunkle hingegen, der am ausgeprägtesten im
nordöstlichen Kostroma auftritt, in der Nachbarschaft
von Syrjänen und Wotjaken, einer ugrischen Zumischung
zuzuschreiben ist. Genau dieselben Typen werden nun in
einer der schon öfter benutzten Ortsbeschreibungen des
Etnograficeski Sbornik von einem offenbar scharf
beobachtenden Gewährsmann im Gouvernement Nize-
gorod unterschieden und gekennzeichnet (Etn. Sb. I,
1853, Kreis Nizegorod, Dorf Vasiljevskoje). Der eine
Schlag ist hochgewachsen, mit rötlichem Haar und Bart,
graublauen Augen und phlegmatischem Temperament,
er beschäftigt sich hauptsächlich mit Zimmermanns
arbeit, zeigt daneben aber auch mechanische Anlagen;
der andere, kleinere, mit schwarzem Haar und schwarzen,
spähenden Augen, treibt vornehmlich Handel und Gewerbe.
Letzterer Typus ähnelt sehr dem der Bürger
von Nizegorod. Wenn ich den Verfasser recht ver
stehe, so hätten wir hier die Ammonsche Auslese in
aller Form, nur wirkt sie nicht, wie im Badenschen
nach Ammon, zuungunsten der „blonden Phlegmatiker“,
die vielmehr in unserem Falle auf dem Lande Zurück
bleiben, sondern gerade umgekehrt. Der Verfasser ist
nicht der Ansicht Zografs von der nichtslavischen Ab
stammung des dunklen Elementes, sondern er hält den
brünetten Schlag für Nachkömmlinge von Zuzüglern aus
Nowgorod, aus welchem Grunde, wird nicht gesagt. Über
haupt jedoch darf nicht übersehen werden, dafs bei solchen
Verschiedenheiten innerhalb der heutigen russischen Be
völkerung in den östlichen und zum Teil auch mittleren
Landesteilen — und zu diesen gehört insbesondere
auch Kostroma —nicht nur die Gegensätze zwischen dem
ursprünglich slavischen und dem fremden Vorgefundenen
Elemente in Frage kommen, sondern auch die Unter
schiede zwischen den verschiedenen slavischen, bei der Be
siedelung beteiligten Stämmen selbst, wofür sich bei
Rjumin ein lehrreiches Beispiel findet n ).
ll ) Bestushew - Rjumin, Geschichte Rufslands, übersetzt
von Schiemann, 1874, I, S. 291. Im 12 . Jahrhnndert ent
stand im Gouvernement Wjatka zwischen den Flüssen Kama
und Wjatka eine nowgoroder Kolonie, deren Bewohner noch
heute an Eigentümlichkeiten des Hausbaues, der Tracht und
der Mundart zu erkennen sind. Nach den daseihst gegebenen
Andeutungen über die abweichende Bauart der übrigen
russischen Bevölkerung, auch aus den angrenzenden Strichen
von Kostroma, kann der dortige, nach Zograf vorwiegend
dunkle Schlag nicht nowgorodscher Abkunft sein. Übrigens
sind die „langen Reihen miteinander verbundener Häuser“
(„izb“, nicht „Hütten“, wie Schiemann übersetzt), denen hier
die freiere Bauart der Nowgoroder gegenüber gestellt wird,
keine finnische oder ugrische Eigentümlichkeit, sondern echt-
russisch. Die Finnen bauen überall, wie die Nowgoroder,
mehr gesondert.
Bücherschau.
Otto Schlüter: Siedelungskunde des Thaies der Un
strut von der Sachsenburger Pforte bis zur
Mündung. Halle a. d. S. 1896. (Inaugural-Dissertation.)
Über die Siedelungsverhältnisse des Thaies der Unstrut
von Oldisleben (Hainleite-Schmücke) bis Naumburg giebt die
vorliegende Arbeit eine sowohl vom geographischem wie vom
historischem Standpunkte aus interessante Übersicht. Sie
benutzt die vorhandenen Quellen und Vorarbeiten eingehend
und zeichnet sich durch klare Anordnung und gefällige Dar
stellung aus.
Für das Alter der Siedelungen stellt Sch. nach den Er
gebnissen der Ortsnamenforschung W. Arnolds (1875), H.
Gröfslers (1875) und A. Werneburgs (1884) unter Hinzu
ziehung der historischen Quellen folgende Perioden auf:
A. Zeit der Hermunduren und des Thüring. Krieges.
I. Von dem Abzug der Kelten bis zum 4. Jahrhundert.
1 . Orte mit unzusammengesetzten Namen (Artern, Wiehe,
Bucha u. s. w.) und mit der Endung —aha (Bret-
leben = Bretalaho, Brethla);
2. (4. Jahrhundert. Besiedelung durch die Warnen, bezw.
die sueb. Angeln). Orte mit der Endung —leben
(aufser Bretleben); später auch mit der Endung
—stedt.
II. Vom 5. bis 8 . Jahrhundert.
1. Orte mit der Endung —ingen, —ungen;
„ „ „ „ —au, —a, —werd;
„ „ ,, » —bach, —bürg;
B. Zeit seit der Niederlage durch die Franken 531.
2. ( 6 . Jahrhundert, 2. Hälfte: Besiedelung durch die
Friesen u. a.). Orte mit der Endung —dorf.
III. Vom 9. bis 12. Jahrhundert.
1. Orte mit der Endung —rode, —ses (—sis, —sitz) u. a.
2 . Die slavischen: —-itz, —witz, —schitz.
Die Ausführungen auf S. 12 u. 17 über die Zeit der
slavischen Siedelungen scheinen mir etwas widersprechend
zu sein.
Die Thatsache, dafs sowohl Flufsthäler, wie die Gebirgs-
ränder (Grenzen zwischen Gebirge und Niederung) die
hauptsächlichsten und frühesten Anziehungspunkte für Siede
lungen sind, belegt der Verf. durch Beispiele auf seinem Ge
biete, indem er treffend ausführt, wie in engen Thälern beide
Linien ganz zusammenfallen oder „ein leises Schwanken in
stärkerem Hinneigen der Ortschaften bald zu den Höhen,
bald zu dem Flusse“ stattfindet, während bei breiten Thal
niederungen sich beide Linien in ihrer Wirkung zeigen, wie
z. B. in hervorragenderweise bei der oberrheinischen Tief
ebene, bei Baden sowohl, wie beim Elsafs.
In dem Abschnitte über den Einflufs der Verkehrs-
strafsen auf die Siedelungen im Unstrutthale tritt Schlüter
u. a. auch einer Ansicht Reischeis entgegen, welcher das
Vorhandensein einer Strafse an der unteren Unstrut ganz
und gar in Abrede stellt und dieses zu begründen sucht.
Die hierüber S. 42 ff. gegebenen Ausführungen sagen wohl
zu. Schade, dafs der sehr eingehenden Arbeit keine Special
karte bei gegeben ist. Dr. K. Neukirch.
W. Geiger: Ceylon. Tagebuchblätter und Reiseerinnerungen.
Mit Abbildungen und Originalaufnahmen. Wiesbaden, C.
W. Kreidel, 1898.
So reich auch die Litteratur an Reisebeschreibungen aus
Ceylon ist, so sind der herrlichen Perlen - und Zimtinsel
doch noch immer neue Seiten abzugewinnen. Besitzen wir
in den begeisterten Schilderungen Häckels eine prächtige
Darstellung der Naturschönheit Ceylons, so kommt in den
vorliegenden Tagebuchblättern der Historiker, der Sprach-
gelehrte und Buddhaforscher zum Wort. Er führt uns in
die, von Reisenden im ganzen wenig aufgesuchten, für die
Kultur und Geschichte Ceylons aber höchst bedeutsamen
Ruinenstätten des Nordens der Insel, zu den Felsentempeln
von Darnbul, zu dem grofsen Werke König Dhatu Senas, dem
mächtigen, zwanzig Quadratmeilen grofsen See Kalawäwa,
der reichen Eruährungsquelle für Tausende von Bewohnern
des alten singhalesischen Reiches, zu den meilen weiten
Ruinenfeldern der, ehemals in glänzender Pracht prangenden
alten Reichshauptstadt Anuradhapura mit ihren riesenhaften
Reliquienmonumenten, mit ihrem Säulenwald des „Eisen
palastes“, mit den Trümmern des Königspalastes und den
prachtvollen Klöstern, endlich zu den heiligen Stätten von
Mihintale, dem Lieblingsplatz Mahindas, des grofsen Apostels
des Buddhismus in Ceylon. Dazwischen erhält der Leser
kurze, aber gründliche Belehrung über die wichtigsten That-
sachen des Buddhismus, seiner Entstehung, seiner Lehre und
seines Erfolges.
In dieser Einführung in die alte buddhistische Welt
Ceylons liegt der Vorzug des Buches. Nicht immer können