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J. Heierli: Die ältesten Gräber in der Schweiz.
Ecken ziemlich genau nach den Himmelsrichtungen
orientiert sind.
Bei der Untersuchung des Höhlenbodens fand man
zu oberst eine schwarze Humusschicht von etwa 5 cm
Dicke, welche Kalksplitter, neuzeitliche Artefakte und
Knochen kleiner Nager enthielt. Darunter lag eine
50 bis 80 cm mächtige Schicht von humusartigem Lehm
mit gröfseren Kalkbrocken, und zu unterst folgte ein
rötlichgelber Lehm, der unmittelbar auf dem Gestein
aufsafs. Die Spuren der Vorzeit fanden sich aus-
schliefslich in der mittleren Schicht.
Schon eingangs der Höhle kamen in dieser Kultur
schicht Scherben, Knochen von Menschen und Tieren,
links auch ein „Feuersteinmesser“ zum Vorschein. Die
Scherben gehörten zu Gefäfsen mit ebenem Fufs und
ohne Verzierung. Eine gröfsere und feinere Scherbe
zeigte die Form einer Urne, zu welcher ein Henkel
gehörte. Auch dieses Gefäfs war, wie alle anderen,
von freier Hand geformt worden. Der Thon war sehr
schwach gebrannt und wies eingesprengte Quarzkörner
auf, die bei den roheren Scherben eine bedeutende
Gröfse erreichten. Da, wo der Eingang in den eigent
lichen Höhlenraum überging, stiefs man in der Kultur
schicht auf grofse Steine, welche einen unvollkommenen
Verschlufs der Höhle vorstellten. Innerhalb desselben
fanden die Arbeiter rechts und links wieder mensch
liche Knochenreste, worunter auch Schädelteile. Weiter
hinten entdeckte man rechts Feuersteinsplitter und
Tierknochen, welche Spuren von Bearbeitung aufwiesen.
Einer der Knochen war ahlenartig zugespitzt. Links
hinten wurde der anstehende Fels blofsgelegt, auf
welchem Schei’ben, zerbrochene Tier- und Menschen
knochen gefunden wurden. In des Hintergrundes Mitte
stiefs man auf eine eigentliche Grabkammer, die erbaut
war aus losen Steinen, welche nicht nur den Inhalt
seitlich umgaben, sondern ihn auch bedeckten. Die
Bichtung des Grabes war West — Ost; seine äufsere
Länge betrug 1,8 m, die Breite 0,6 m. Als die Deck
steine weggeräumt waren, fand man den Innenraum
1,5 m lang und 40 cm breit. Der Inhalt wurde nun
sorgfältig von der ihn bedeckenden Erde befreit und da
fand man zwei auf dem Bauche liegende Skelette, deren
Köpfe im Osten lagen. Die Beine des einen Skelettes
kreuzten diejenigen des anderen. Es waren zwei
erwachsene Menschen hier begraben (Mann und Frau?).
Die Knochen zerfielen beim Herausnehmen.
Als Beigaben entdeckte man in der Gegend des
Bauches ein Halsband von Perlen aus einem steinartigen
Material. Es waren 1 bis 2,5 cm lange Röhrchen, etwa
30 an der Zahl. Ähnliche Perlen hat man im Steinzeit-
Pfahlbau Bodmann gefunden. Sie bestehen nach der
Untersuchung von Dr. Meyer -Eymar aus den Schalen
der Serpula, des Röhrenwurms. Diese Schalen finden
sich nun aber nicht in unserer Gegend, wohl aber sind
sie in Norditalien sehr häufig. Sie werden also als
importierte Ware aufzufassen sein. Zu diesem Hals
schmuck gehörte aufserdem ein durchbohrter Eberzahn.
Es fand sich noch ein anderer Schmuckgegenstand in
der Höhle im Dachsenbühl, nämlich eine jener roten
Steinperlen mit zwei Durchbohrungen, wie sie in
zwei Exemplaren im Pfahlbau Robenhausen zum Vor
schein kamen. Diese Perle besteht aus rotem Kiesel
und lag zur Seite eines Skelettes. Mit seinem Schmuck
versehen, trat der Verstorbene die Reise ins Toten
reich an:
„. . . Bringet her die letzten Gaben,
Stimmt die Totenklag’!
Alles sei mit ihm begraben,
Was ihn freuen mag! . . . .“
(Schiller.)
An Werkzeugen lieferte die Grabkammer nur einen
Knochenmeifsel, der neben dem Schenkel eines der
Bestatteten lag.
Auch aufsen an der Grabkammer entdeckte man
menschliche Spuren: es waren Schädelfragmente, denen
man deutlich ansah, dafs sie angebi'annt worden waren.
Was die Tierreste angeht, die in der Höhle zum
Vorschein kamen, so kommen für uns nur diejenigen
der mittleren Schicht in Betracht; diese aber weisen
auf die Steinzeit zurück und zwar in die jüngere, wo die
wichtigsten unserer Haustiere bereits gezähmt waren.
Neben Hase, Wildkatze und Edelhirsch fanden sich
Knochen eines kleinen Hundes und des Schweines: Sus
scrofa palustris, das in den Pfahlbauten der Steinzeit
häufig war.
In Bezug auf die menschlichen Knochen entdeckte
man neben den Skeletten der Grabkammer noch Reste
von etwa sechs Menschen, worunter zwei Kinder waren.
Einige Wirbel bewiesen, dafs die Arthritis deformans
(Gicht), welche die Gelenke steif macht und den Rücken
verbiegt, schon den Steinzeitleuten bekannt war.
Wie hat man sich nun aber jene angebrannten
Menschenknochen zu erklären? Sind vielleicht die
Skelette der Grabkammer später beerdigt worden, als
die anderen Leichen, deren Knochenreste man gefunden,
und hat man etwa beim Ausheben der Erde behufs
Errichtung der Kammer menschliche Knochen ausge
worfen, die dann zufällig in das Feuer gerieten, das den
Toten zu Ehren angezündet wurde? Gegen diese Auf
fassung spricht, dafs in Bezug auf das Alter der Funde
nichts konstatiert wurde, was eine Verschiedenheit
erkennen liefse, und zudem fehlen die Spuren des
Brandes in der Höhle. Fand dieser aber aufserhalb
derselben statt, so ist nicht ersichtlich, wie denn ältere
Knochen aus der Höhle ausgegraben worden und ins
Feuer kamen.
Wenn aber alle Leichen gleichzeitig in den Boden
der Tlöhle gelangten, so ist es auffallend, dafs nicht alle
in derselben Weise behandelt sind und vorab die ange
brannten Knochen! Sie rühren nicht von Leichenbrand
her, da ja keine ßrandgräber vorliegen, sondern Skelett
gräber. Auch deutet nichts darauf hin, dafs gleich
zeitig Leichenbrand und Beerdigung stattgefunden. Die
Brandspuren sind nur an vereinzelten Knochen beob
achtet worden, und das läfst sich schwer anders erklären,
als durch die Annahme, dafs dazumal Anthropophagie,
Menschenfresserei, die bekanntlich unter den Völkern
niedriger Kultur weit verbreitet ist, vorkam. Oder
sollten Sklaven oder Kriegsgefangene zu Ehren des
Toten verbrannt worden sein? Warum dann die spär
lichen Brandspuren, und warum nur angebrannt, nicht
verbrannt? Ist etwa die Höhle doch für ein neues
Begräbnis ausgeräumt worden und hat man vor der
Beisetzung ein Totenmahl dort abgehalten, wobei
Knochen aus einem älteren Grabe ins Feuer gelangten?
Die unverbrannten menschlichen Knochen ergaben zwei
Arten der Beerdigung. Mann und Frau in der Grab
kammer sind sorgfältig beerdigt worden, angethan mit
ihrem Schmuck, der teilweise aus der Ferne stammte.
Die übrigen Leichen machen den Eindruck, als seien sie
hier zum zweiten Male beerdigt. Nirgends fand
v. Mandach ein Skelett in einiger Vollständigkeit oder
in regelrechter Lage, sondern an verschiedenen Stellen
nur immer vereinzelte Knochenreste von Erwachsenen
und Kindern. Soll diese Verschiedenheit auf Standes
unterschiede zurückgeführt werden? Dafs bei der Be
stattung des hochgestellten Paares ein Leichenschmaus
stattfand, scheinen auch die Tierknochen zu beweisen,
besonders Hirsch und Schwein. Nach und bei diesem