Kleine Mitteilungen .
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Hans Wachenhusen — dienten als Unterlage ; ich studierte die Karten und Beschreibungen der Umgegend von Saarbrücken , sah mir die Abzüge der Holzstöcke an , die in den Text verwebt werden mussten , und braute das Ganze patriotisch und feuilletonistisch zusammen . Am folgenden Tage lieferte ich das Manuskript ab , das sofort mit den Holzstöcken in die Druckerei wanderte als erster Brief vom Kriegsschauplatze . Um den Bericht recht schaulich zu machen , suchte ich die auf den vorhandenen Bildern vorkommenden Figuren zu individualisieren , als Leute darzustellen , mit denen ich auf den Vorposten verkehrt hatte , und da gab ich dem einen den Namen Kutschke und legte ihm die Worte in den Mund : 'Was kriecht denn da im Busch herum ? Ich glaub , es ist Napoleum . ' Dieser Vers war eine Erinnerung aus meiner Leipziger Studentenzeit , wo ein Lied , in dem er vorkam , auf unsrer Korpskneipe zuweilen gesungen wurde . Ich glaube , es hiess darin auch : 'Schlag ihn tot , Patriot , mit der Krücke ins Genicke' usw . 1 ) .
„ Das ist der Ursprung des Namens Kutschke in Verbindung mit dem Verse . Durch Abdrucke in andern Zeitungen ( zuerst Kreuzzeitung ) , unendliche Zusätze , schmückungen usw . wurde Kutschke bald berühmt . Bei der Daheim - Redaktion gingen patriotische Gaben , Geld ( irre ich nicht , auch eine Uhr ) für den Braven ein , die an das 40 . Regiment befördert wurden , wo nur leider kein Kutschke zu finden war , weshalb der Oberst die Gaben an verschiedene tüchtige Leute verteilte . Mir aber ging es wie Goethes Zauberlehrling . Die ich rief , die Geister , ward ich nun nicht los , und die Fragen nach Kutschke häuften sich bei der Redaktion . Ich aber bat die Herren , mich nicht zu raten , was ja auch schon in ihrem eignen Interesse lag , da sonst bekannt wurde , 'wie es gemacht wird' . Ich will aber hinzufügen , dass von da ab das Daheim nur echte berichte und Zeichnungen brachte . Doch der anonyme Berichterstatter und Kutschke hatten ihren Zweck erfüllt . "
Soweit Andree , dessen vielseitige Begabung hier auf einem ganz neuen Gebiete hervorleuchtet . Dass der mecklenburgische Pastor Hermann Alexander Pis tor iu s alsbald durch jenen alten Spottreim auf Napoleon , den Andree der Phantasiefigur Kutschkes zugeschrieben hatte , zu dem vierstrophigen 'Kutschkeliede vom alten Sechsundzwanziger' angeregt wurde , welches am 22 . August in den Schweriner zeigen' im Druck erschien , ist schon früher ausgeführt worden2 ) .
Berlin . Johannes Bolte .
Zur Entwicklungsgeschichte des Yolks - und Kinderliedes .
( Vgl . oben 21 , 368 . 22 , 79 ) .
2 . Ach ich bin so müde .
Seit A . Treichel ( Volkslieder aus Westpreussen S . 163 Nr . 36 ) und E . Marriage ( Volkslieder aus der badischen Pfalz Nr . 219 ) auf die Schlummerpolka von Ernst Beyer hingewiesen haben , sucht man wohl allgemein den Ursprung des Volksreims „ Ach ich bin so müde " in jenem Couplet . Von vornherein ist das umgekehrte Verhältnis ebenso wahrscheinlich . Mein Versuch , den Sachverhalt zuklären ( Lewalter und Schläger , Deutsche Kinderlieder und Kinderspiele Nr . 64 ) , scheiterte daran , dass es mir noch nicht möglich war , das Erscheinungsjahr der
1 ) Vgl . die oben 15 , 173 zumeist nach FI . Grieben ( Das Kutschkelied vor dem suchungsrichter . 1872 ) angeführten Zeugnisse , zu denen man noch Wolfgang Menzels Zitat aus den Befreiungskriegen ( Literaturblatt zum Morgenblatt 1830 , Nr . 102 S . 408 . Anzeige von 0 . L . B . Wolffs Historischen Volksliedern ) fügen kann : 'Patriot , Schlag ihn tot , Napoleon , Den Kujon , Mit der Krücke Ins Genicke , Dass er kriegt die Schockschwer - noth etc . '
2 ) Vgl . auch Volksliederbuch für Männerchor ( 1907 ) nr . 285 : Kutschkelied , Satz von Georg Schumann .
Zeitschr . d . Vereins f . Volkskunde . 1912 . Heft 3 . 19