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Volltext: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 22.1912

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An ree : 
Es ist ein alter Brauch der Kirche , aus solchen Gefässen und Schalen , die ehemals im Besitze von Heiligen sich befunden hatten , den Gläubigen geweihten Wein zu trinken zu geben . Das fand statt an den Festen der Heiligen , vor Antritt einer Reise oder Pilgerfahrt . Schon für das 12 . hundert ist zu Maastricht der noch jetzt dort übliche Brauch nachgewiesen , wonach in der Pestoktav des hlg . Servatius zahlreiche Leute aus der Schale des Heiligen tranken , um vom Fieber geheilt oder davor bewahrt zu werden1 ) . Da nun viele Rituale seit alters einen Segen enthalten , welcher zu Ehren des hlg . Johannes über Wein gesprochen werden sollte , und dieser Wein als 'Johannesminne' gereicht und getrunken wurde , ja man überhaupt vor Antritt einer grösseren Reise solche 'Johannesminne' zu trinken pflegte , entwickelte sich in vielen Kirchen der Gebrauch , den Gläubigen und Wallfahrern an den Festen der Patrone gesegneten Wein zum Trinken zu reichen . Um wieviel kräftiger aber musste dieser wirken , wenn er mit einer Reliquie unmittelbar in Berührung gekommen war ! 2 ) 
So ist auch der Brauch zu erklären , dass man seit alter Zeit den Pilgern geweihten Wein aus Sebastians Schädel zu trinken gab , was bis auf unsere Tage der Fall war und in ähnlicher WTeise mit vielen anderen Heiligenschädeln geschah und noch geschieht . Um es vorweg zu nehmen : Als ich 1905 zum ersten Male nach Ebersberg wallfahrtete , da tranken die Pilger den geweihten Wein noch aus dem in Silber gefassten Schädel . Im Jahre 1911 aber erklärte mir der Mesner , man habe dieses jetzt seit kurzem abgeschafft , doch erhielten nun die Wallfahrer den gesegneten Wein am Sebastianstage ( 20 . Januar ) , sowie bei ihren sonstigen fahrten , aus einem grossen silbernen Kelche , wobei zum Trinken die zwei alten silbernen Röhrchen benutzt werden , die bis vor kurzem beim saugen aus dem Schädel dienten . 
Diese Fistulae sind 22 cm lang und haben in der Mitte einen S - förmigen Henkel ; saugt man daran , so wird nichts von dem geweihten Weine verschüttet und damit eine Sünde vermieden . Wie Paul Drews nachgewiesen hat , ist diese Sitte schon aus dem 6 . Jahrhundert bezeugt , und vielleicht hat schon Gregor d . Gr . ( f 604 ) mittels dieser Fistula das Abendmahl genommen . Desiderius , Abt von Auxerre , ein Zeitgenosse Gregors , schenkte seinem Kloster elf dieser Fistulae oder cannae3 ) . 
1 ) St . Beissel S . J . , Die Verehrung der Heiligen ( Ergänzungshefte zu den Stimmen aus Maria Laach Nr . 54 . 1892 ) S . 90 . 
2 ) Es brauchen übrigens nicht immer Schädel zu sein , die ihre heilende Wirkung auf Wein oder Wasser übertragen . Auch andere Reliquien bewirken das gleiche , wie viele Beispiele beweisen . In La Fère in Frankreich verkauft man den Wallfahrern kleine Fläschchen mit Wasser , in welches die Knochen des heiligen Firmin getaucht wurden und das , getrunken , viele Krankheiten heilt . In St . Quentin , wo die Reliquien des namigen Heiligen verehrt werden , taucht man diese in Wasser , das man gegen heiten trinkt oder mit dem man den kranken Körper wäscht . Und so noch recht oft . H . Gaidoz , La rage et St . Hubert 1887 p . 204 . 
3 ) Hessische Blätter für Volkskunde 4 , 188 .
	        
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