Zur Methode der Trachtenforschung .
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finden , dass hier vielleicht natürliche Grenzen , ein Flusslauf oder ein Höhenzug , das Vordringen der Tracht hinderten , oder — eine Möglichkeit , die sehr viel häufiger vorkommt , als man annehmen möchte — dass in der Linie , die die Tracht begrenzt , eine alte , sonst längst verwischte Gebietsgrenze fortlebt und dass eine Zurückführung auf verschiedenheit der Bevölkerung ein voreiliger Trugschluss wäre .
Nicht viel anders steht es mit den Beziehungen , die man zwischen Volkstracht und Konfession entdeckt zu haben glaubt . Natürlich gibt es in der Tat solche Beziehungen . Einzelne Besonderheiten der Volkstracht haben ihren Ursprung in kirchlichen Sitten und Anschauungen . Das gilt z . B . von der Unterscheidung der Frauen - und Mädchentracht durch die Frauenhaube ( S . 136f . ) . Wir können diesen Ursprung noch ziemlich genau verfolgen . Im Bregenzer Wald trägt die Braut am Hochzeitstag zum erstenmal dieses Abzeichen der verheirateten Frau ; es wird dort 'Stauche' genannt und besteht in einem weiten , über Kopf und Brust herabfallenden Tuch . Auch die katholischen Wendinnen in der sächsischen Lausitz halten einen Rest dieser alten Anschauung noch fest , indem bei ihnen die Frauen unter der schwarzen Haube , die die allgemein übliche weibliche Kopfbedeckung ist , eine weisse Untermütze als Frauenabzeichen tragen . In Westfalen vertritt die 'Bindse' , eine schmale Kopf binde ( S . 149 ) , diese Stelle ; sie wird nur von Verheirateten getragen , zum erstenmal am Hochzeitstag . Dass wir in dieser Sitte den Einfluss kirchlicher schauungen zu erkennen haben , wird klar , wenn wir uns an die apostolische Vorschrift ( 1 . Kor . 11 , 5—13 ) erinnern , wonach die Frau beim dienst nur init verdecktem Haar erscheinen durfte . Hieraus entwickelte sich dann der Brauch , auch im täglichen Leben in der Verhüllung des Kopfes durch eine Haube oder ein Tuch ein Kennzeichen der heirateten Frau zu sehen . Nun unterliegt es keinem Zweifel , dass solche kirchlichen Anschauungen in katholischen Gegenden viel strenger gehalten werden und darum auch viel nachhaltiger auf das Volk wirken als in protestantischen , und dass darum diese Trachtensitten zugleich auch zu einem konfessionellen Symbol werden können . Zugleich aber wird hier auch klar , dass diese Zusammenhänge durchaus nicht immer so einfach liegen und dass man schon die Beobachtungen aus verschiedenen Gegenden nebeneinander halten muss , um sie überhaupt deutlich ans Licht treten zu lassen . Viel häufiger sind die Fälle , in denen man davor warnen muss , sich von dem Schein trügen zu lassen . Denn die Versuchung liegt oft sehr nahe : hier sind katholische Dörfer , dort protestantische , und beide Male begegnen wir auch verschiedener Tracht . Ein besonders deutliches Beispiel kann man im Kreis Marburg treffen . Hier liegen in vollständig - protestantischer Umgebung einige katholische Dörfer eingesprengt , die sich zugleich auch durch ihre Tracht von den . evangelischen Nachbardörfern unterscheiden . Da scheint allerdings zunächst keine andere Erklärung