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Volltext: Zeitschrift für Volkskunde, 79.1983

Thomas Sokoll 
Einblick in das Leben der Menschen unterhalb der alphabetisierten Ober 
schichten zu gewinnen. Wir sind auf indirekte Hinweise angewiesen, doch 
gerade hier bestehen in England phantastische Möglichkeiten der Datenmo 
bilisierung. 3 Dieses Land besitzt nämlich ein dichtes Netz von — modern 
gesprochen — „Lokalverwaltungsakten“, die bis ins 14. Jahrhundert zu 
rückreichen und es zumindest für einzelne dieser lokalen „Verwaltungsein 
heiten“ gestatten, über längere Zeiträume hinweg Informationen über po 
tentiell alle Mitglieder solcher verwaltungs- bzw. herrschaftsmäßig abge 
grenzten „historischen Gemeinschaften“ 4 zu erfassen. 
Im Spätmittelalter sind dies die Aufzeichnungen der grundherrschaftli 
chen Verwaltung und Gerichtsbarkeit (manor court rolls), die weite Teile des 
dörflichen Lebens und seiner materiellen Bedingungen abdecken. Seit dem 
ausgehenden 16. Jahrhundert ist dann die Struktur der englischen Lokalver 
waltung für die Qualität und Reichhaltigkeit der hinterlassenen Quellen mit 
entscheidend. Die einzelne Gemeinde (parish, eigentlich: Kirchspiel) war 
die unterste weltliche und kirchliche Verwaltungseinheit und besaß als sol 
che weitgehende Selbständigkeit (die gesamte Armenpflege etwa wurde bis 
1834 auf gemeindlicher Ebene besorgt). 5 Gleichzeitig war sie, ihrer Doppel 
3 Macfarlane / Harrison / Jardine (1977, 27—33) halten England für die neben dem alten 
China und Japan am reichhaltigsten dokumentierte Gesellschaft für den historical 
community- Ansatz. 
4 Macfarlane / Harrison / Jardine (1977, 3—4), schlagen vor, den Begriff „community“ nicht 
normativ, sondern ausschließlich technisch-deskriptiv zu verwenden, zur Beschreibung der 
jenigen räumlichen und sozialen Einheit, deren Daten ausgewertet werden sollen. In diesem 
Sinne verwende ich den Begriff „Gemeinschaft“ als Übersetzung des englischen „communi 
ty“, das ebensogut, je nach Zusammenhang, mit „Gemeinde“ wiederzugeben ist. Interessant 
für den Unterschied zwischen „Gemeinschaft“ in der deutschen Denktradition und „com 
munity“ als Forschungskonzept, das im angelsächsischen Sprachraum vor allem von der So 
zialanthropologie entwickelt worden ist, der Überblick bei Calhoun (1980, 107—16). Dort 
auch einige interessante Punkte zum Verhältnis von Rechtssystem und Lokalverwaltung in 
England. 
5 Bis zur Reform der Lokalverwaltung im 19. Jahrhundert gab es in ganz England über 10.000 
parishes, deren Durchschnittsgröße gegen Ende des 17. Jahrhunderts mit 200—500 „Seelen“ 
veranschlagt werden kann. Für einen kurzen instruktiven Abriß siehe Laslett (1971, 55—- 
66). Viele der im Zusammenhang gemeindlicher Selbstverwaltung entstandenen Aktenbe 
stände enthalten vielfältigere Informationen als man zunächst annehmen sollte. So enthalten 
z.B. die accounts der Armenpfleger nicht nur deren Buchführung, sondern häufig detaillier 
tes Material zur Haushaltsgröße und -Struktur der betreffenden Gemeinde. Für die ersten 
Volkszählungen (ab 1801) hatten nämlich die Armenpfleger die Formblätter auszufüllen, 
und offensichtlich benutzten sie einfach in einigen Fällen ihre account books, um die für die 
Zensuslisten erforderlichen Informationen zusammenzustellen und ihre Antworten „ins 
Unreine“ zu schreiben. Erwähnenswert ist ferner, daß bereits vor 1801 Armenpfleger, Ge 
meindevorsteher, Pfarrer oder andere teilweise sehr ausführliche Einwohnerlisten anlegten, 
einfach als Hilfestellung für die eigenen Verwaltungsaufgaben. Diese listings bilden die 
Grundlage der Berechnungen der mittleren Haushaltsgröße bei Laslett (1972b). 
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