Die , Wende" —- und danach
* nicht nur die Arbeit und die nach wie vor bestehenden Ver-
ichtungen ließen uns zögern, die Einladung zu jener Zeit in
1e USA anzunehmen, sondern es waren auch die sich merklich
zu^nitzenden. politischen. und. wirtschaftlichen Verhältnisse, die uns den
Trip nach Buffalo ein zu großes Wagnis zu sein schienen. So haben wir
auch diesen Grund quası als Entschuldigung mit angegeben, und Georg
hat das verstanden.
In der Tat hatte sıch manches zu ändern begonnen, und das hing nicht
zuletzt mit dem neuen Kurs von Michail Gorbatschow zusammen, mit
dessen Forderung nach ,Perestroika" und ,Glasnost" und der mehr als
zógerlichen Haltung von Partei und Staat der DDR gegenüber dieser
ideologischen Öffnung nach innen und außen. Er, Gorbatschow, war für
viele DDR-Bürger eine charismatische Persönlichkeit, eın Hoffnungsträger
auch auflerhalb des realsozialistischen Staatensystems, und er war bei
Gespráchen im Kollegenkreis, in Seminaren und universitären Gremien
nicht mehr wegzudenken. Daß sein Kurs schließlich doch scheiterte, wohl
auch scheitern mußte, haben damals nur wenige geahnt. Wir hatten
jedenfalls zu Hause ein großes Gorbatschow-Poster an eine unserer Bücher-
wände geheftet, das einzige und erstmalige Porträt eines Staatsmannes, das
es je ım Hause Jacobeit gegeben hat. Es erregte bei keinem unserer
Besucher Aufsehen, gar Verwunderung, nur westdeutsche Kollegen ließen
manchmal ein „Aha!“ vernehmen. Es grummelte, wie man weiß, unüber-
hörbar im Land. Man wollte keine Nachrichtensendung, ob von ADN
oder ARD, verpassen und ärgerte sich maßlos, daß ADN lange Zeit gegen
besseres Wissen z. B. die Fluchtbewegungen von DDR-Bürgern in die BRD
via CSSR und Ungarn einfach ignorierten. oder die Demonstrationen
namentlich in Dresden und Leipzig klein redeten bzw. ganz verschwiegen.
Wir registrierten aber ebenso ein auffallend freundlicheres Verhalten der
Zollbeamten am Kontrollpunkt Bahnhof Friedrichstrafe, die uns nach
einem Aufenthalt in Budapest mit „Herzlich willkommen in der Heimat!"
begrüften und uns ohne Kontrolle des Gepácks passieren liessen.
Der 7. Oktober 1989, der 40. und letzte Jahrestag der Gründung der
DDR, ging mit dem üblichen Festgepránge, diesmal begleitet von den
„anderen“ Demonstrationen, vorüber. Das alles trug etwas wie einen
Schein der Unwirklichkeit. Gorbatschow führte die ausländischen Staats-
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