Die
Entwicklung der Lehre vom Geist ( Pneuina )
in der Wissenschaft des Altertums .
Von Hermann Siebeck .
1 . Wie andern Völkern , so war auch den Griechen von Alters her die bewegte Luft mehr als eine blinde , nische Kraft oder Substanz ; was sie als Kühlung liebten , als Sturm und Gewitter bewunderten oder fürchteten und immer und überall als das Allumfassende warnahmen , galt ihnen als ein Beseelendes und selbst Beseeltes , jedenfalls wenigstens als der überall offenbare und doch zugleich so geheimnisvolle Träger einer intensiven dynamischen Wirksamkeit , der sich keine Seite der Natur wie des menschlichen Organismus zu entziehen vermochte . Besonders wurde ( nächst der Sonne ) der Einfluss der Winde für das Gedeihen der Gewächse wie für die Gesundheit von Tieren und Menschen beachtet und göttlich verehrt und wie z . B . schon in phönicischen Kosmo - gonien Pneuma und Luft das erste schaffende Paar bildeten * ) , so fanden ( jedenfalls auch durch orientalische Einflüsse ) besonders die orphischen Lehren von der Beseelung des Leibes vermittelst der Luft eine weite Verbreitung * * ) . Auch an der Schwelle der griechischen Philosophie wird ( bei Anaximenes ) die Seele wesentlich als Luft aufgefasst und dem entsprechend auch die äußere Luft selbst ihrerseits als
* ) Vgl . P . Schuster , Heraklit von Ephesus ( Lpz . 1873 ) S . 155 Anm .
* * ) Welcker , kl . Sehr . III , S . 57 f .
Zoitschr . für Vülkerpsych . und Sprach«' . Bd . XII . 4 . 25