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wirkenden Spezialisten altamerikanischer Forschung einseitig
betrachtet worden: Seler wurde an den Anfang dieser Entwiek-
lung gestellt, und dabei wurde allgemein nicht beachtet, daß
seine Tätigkeit zugleich einen Abschluß für die Herausbildung
der spezialwissenschaftlichen Forschung darstellt.
Selers mexikanische Forschungen markieren insofern einen Um-
schlagsprozeß in der wissenschafts-historischen Entwicklung,
als Seler einerseits in der geistigen Tradition bürgerlicher
Gesellschaftskonzeption stand und andererseits den Schritt zur
Abgrenzung und Einstufung der Spezialdisziplin ging. Seine
wissenschaftlichen Leistungen sind für die Mexikanistik somit
gleichsam Anfang und Ende verschiedener Prozesse der Wissen-
schaftsentwicklung gewesen.
Als Karl Theodor Preuß (1869-1938) im Nachruf für seinen Leh-
rer feststellte: "Seler ist in seinem Fache eine überragende
Persönlichkeit gewesen, die über Lob und Tadel erhaben ist"
(Preuß, 6), beraubte er sich und viele seiner Zeitgenossen
der Möglichkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem
Lebenswerk Selers in der Komplexität des theoretischen Gehalts.
Die Methode, Seler einseitig an den Anfang amerikanistischer
Forschung zu stellen, ist bis heute weit verbreitet. So hieß
es im Vorwort des Verlages zur Neuausgabe von Selers "Gesammel-
te Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Altertumskunde"
(Graz, 1960-61): "Der Eintritt weniger neuer Disziplinen der
Wissenschaft in den Gesichtskreis der Forschung ist so eng mit
dem Namen einer Gelehrtenpersönlichkeit verknüpft, wie die er-
ste große Phase der Amerikanistik mit jenem Eduard Selers",
Auch Anders (1967, 1) dachte an Seler, als er betonte: "Dem
19, Jahrhundert sollte es vorbehalten bleiben, den altvertrau-
ten philologisch-historischen Disziplinen als neuen Zweig die
amerikanische Sprach- und Altertumskunde hinzuzufügen"; er
nannte Seler "Schöpfer der modernen Amerikanistik" (Anders,
1967, 27). Krickeberg (1956, 27) rechnete ihn "zu den Begrün-
dern der modernen Archäologie". "Seler schuf die wissenschaft-