Jahresbilanz.
Die Jahre verrauschen, neue Zeiten steigen herauf, ein
anderes Geschlecht wächst heran. Was die Päter zuckenden
herzens durchlebten, verblaßt den Enkeln zum geschichtlichen
Ereignis der Vergangenheit, dem nur noch in weihevollen
Stunden ein Kranz der Erinnerung gewidmet wird.
Gar mancherlei Erlebnisse haben die Menschheit im Laufe
der Jahrhunderte bewegt, viele schienen ihr denkwürdig genug,
um für immer in der Erinnerung festgehalten zu werden.
Ein bestimmter Tag im Jahre wurde dazu ausersehen, Träger
dieser Crinnerung zu sein, und so bekam schließlich wohl jeder
Tag seinen Kranz gewunden. Was diese Kränze uns künden,
was sie uns erzählen aus verklungenen Zeiten, das wollen
wir im vorliegenden Buche ergründen, wollen dem Raunen
uralter, ehrwürdiger Geschichte und Sage lauschen. Lassen
wir es an uns vorüberziehen,
das bekränzte Jahr!
Zunächst aber müssen wir uns über das gefeierte Wesen
selbst ein wenig verständigen und uns klarmachen, was denn
eigentlich ein Jahr ist.
Jahr nennen wir das von der Sonne entlehnte Zeitmaß,
mit dem wir das Leben messen; die Dauer eines Aufenthaltes,
das EAlter der Erde, die ganze Weltgeschichte wird in Jahren
angegeben. Das Maß bildet der Kreislauf der Sonne durch
den sogenannten Tierkreis, der in Wahrheit ein Umlauf der
Erde um die Sonne ist, aber von alters her als eine Reise der
Sonne aufgefaßt wird — als eine Rundreise, die sie neben
ihrer täglichen Bewegung um die Erde zu machen hat. Sie
braucht gerade ein Jahr zu dieser Reise; nach Ablauf eines
Jahres hat sie den Weg zurückgelegt und die Ausgangsstation
wieder erreicht. Das Jahr macht also eigentlich die Sonne.
Der Kreis, den sie durchläuft, hat vier Angelpunkte oder
Pole, so daß er in vier Quadranten oder Kreisbogen zerfällt;
diese vier Kardinalpunkte sind die beiden Tagundnachtgleichen