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Volltext: Abseitiges

Michel Massmünster 
Vom Ende der Welt her gedacht 
Am folgenden Tag erinnerte eine Kollegin amüsiert, dass wir noch am Ende 
der Welt gelandet seien. Und sofort wusste ich, dass sie auf jene Bar an- 
spielte, Ich wusste dies, obwohl es sich vor Ort angefühlt hatte, als wären 
wir im Zentrum angekommen, Erst mit dem Erwachen am folgenden Tag 
nahm die Erfahrung, die sich zugleich mit der Erfahrung der Erinnerung 
vermischte, eine Absurdität an, die den Ort zu etwas Abseitigem machte. 
Jabei hatte eigentlich bereits der Kommentar der Person, die uns in die- 
se Bar brachte, auf eine Neuverteilung der raum-zeitlichen Plausibilitäten 
hingewiesen: »Das ist ein richtiger Ort der Nacht.« Plausibel ist auch, dass 
wir nach einer Weihnachtsfeier eines Instituts für Europäische Ethnolo: 
gie / Volkskunde / Kulturwissenschaft an einem solchen Ort landeten: Raum. 
Zeit, Soziales und Wissen konstituieren sich schließlich gegenseitig. 
Neben den tageszeitlichen Verschiebungen von Plausibilitäten gibt es 
auch in der wissenschaftlichen Praxis das Drehmoment, welches das Zen- 
trum der Aufmerksamkeit durch sprachliche Relationierung in etwas Absei- 
tiges verwandelt: Anträge auf Projektfinanzierungen und Stipendien, Einlei- 
tungskapitel sowie Abstracts machen gerne darauf aufmerksam, dass eine 
Forschungslücke zum behandelten Thema oder der spezifischen Perspekti- 
ve ausgemacht wurde. Wenn mir entsprechend die Frage gestellt wird, ob 
neine Forschung je als »abseitig« deklariert wurde, fallen mir vor allen meine 
eigenen Behauptungen über dieses Thema ein. Der Bezug auf das Abseitige 
/erspricht Besonderheit. 
Andererseits ist es mit der Frage nach der Bezeichnung meiner For- 
schung wie mit den meisten abseitigen Themen, die kulturanalytisch be- 
handelt werden. Zunächst wirken sie völlig abseitig, erscheinen als unsicht- 
Dar gemachte Randständigkeiten, um einem schon nach ein paar Stunden 
der Beschäftigung überall zu begegnen. Die Umwelt scheint sich neu zu 
ordnen, neue Versammlungen zu arrangieren und bald nur noch aus jenem 
Abseitigem zu bestehen. So geschehen auch beim Nachdenken über die 
abseitige Frage, ob mein Thema jemals als »abseitig« deklariert wurde. Nach 
und nach versammelten sich meine bisherigen Erfahrungen anhand dieser 
Frage neu: Auch kurz bevor ich mich an das bereits erwähnte Ende der Welt 
degab, fand eine solche Verortung statt. »Dass du noch mitkommst, ist ja
	        
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