Selbstverortungen einer schwarzen Deutschen
bemerken? Zu den Deutschen? In ihrem
Gebrauch von Begriffen wie z.B. „Rein-
heit“ bezüglich „nationaler“ Zugehörigkeit
xommt die Vorstellung durch, es gäbe viel-
leicht doch so etwas wie eine „Volks-
nation“. So spricht sie von ihren Schwierig-
keiten, für sich sagen zu können, was für
sie „deutsch zu sein“ bedeutet: „ Vielleicht
meine ich ja, etwas ist deutsch, und es ist es
gar nicht“, (...)
„Das ist auch mit dem deutsch sein so
schwer, 0.k., ich bin halt hier aufgewachsen
und sehe, ich lebe halt so, wie ich bin, oder
so, Wie es von mir verlangt wird, ob das
nun rein deutsch ist, daß kann ich nicht sa-
gen, ich meine die, die ich kenne, o.k., die
sind weiß und die sind deutsch, aber ist es
jetzt auch das Ursprüngliche, daß ist, das
erkenne ich nicht so (...)“
In ihren Erzählungen trennt sie nationa-
le Zugehörigkeit, die sich über Sprache,
den Paß, den Wohnort oder den Lebensstil
herstellt von einer Zugehörigkeit, die sie
mit einer biologischen Herkunft begrün-
det. So beantwortet sie die häufig gestellte
Frage, „woher sie denn eigentlich kommt“,
aicht zuerst mit einem geographischen
Raum, sondern mit einer biologischen
Herkunft:
„Das erste ist, sage ich immer, ich bin ein
Mischling (...) ich bin ja nicht rein schwarz,
da ist noch was anderes in mir, seht ihr das
nicht, weißte, so, und ich merke schon, daß
das doch nervt an meinem Ego, daß man
das nicht merkt (...), das man mir doch an-
sieht, das ich doch nicht deutsch bin wie
meine Mutter. Na, nun sage ich immer:
meine Mutter ist echte Berlinerin, sie ist, sie
kommt echt aus Berlin, um dann klarzu-
machen, ich nenne erstmal meine Mutter
und dann sage ich denn, na ja 0.k., mein
Vater, der ist schwarz, So (...).“
In Deutschland ist sie ein „Mischling“,
in Kenia „Verwandte“, „Urlauberin“ oder
einfach „Ausländerin“. Sie empfindet sich
nie als „auch kenianisch“, sondern als
Deutsche. die durch ihre Hautfarbe weder
ihre „nationale Zugehörigkeit“ noch ihre
„Herkunft“ zum Ausdruck bringen kann.
„Mein Bruder und ich merken, wenn wir
halt nach Kenia fahren - ich meine, in den
Bergen bei Verwandten, da ist das kein
Problem, wir gehören halt zur Familie, wir
sind halt einfach der Besuch aus Deutsch-
"and — aber kaum bist du in der Stadt, ir-
gendwie, wirst du doch schon — bist du,
auch wenn man dir es nicht ansieht, du bist
ja nicht rein deutsch, aber für die Schwar-
zen bist du halt kein Kenianer, du bist halt,
ähm, ein Ausländer oder halt, oder einer
der Urlaub macht — machst Du ja auch im
Endeffekt — ich würde nicht sagen daß ich
jetzt pochen will: Leute akzeptiert mich,
wenn ich in Kenia bin, bin ich Kenianer,
wenn ich in Deutschland bin, bin ich Deut-
sche, aber, (...) da merkst Du doch, dann
bist Du in Kenia und die akzeptieren dich
nicht (...) und das ist dasselbe auch hier
manchmal, ne, das ich sage, irgendwo muß
es noch eine Insel geben, wo wir, Unserei-
ner rein gehört (...).“
Die Insel wird zu einem imaginären Ort,
an dem sie die Ambivalenz ihrer binationa-
len Identität einfach als etwas Anderes,
Neues und nicht durch ihre Hautfarbe
Stigmatisiertes verorten kann. Kennzeich-
net sie damit den Konflikt, der bei ihr
lurch die Unversöhnbarkeit zwischen ih-
‚er binationalen Herkunft und dem
Wunsch nach eindeutiger, nationaler Zuge-
hörigkeit entsteht? Vielleicht ist es ledig-
‘ich der Wunsch, ihre Identität nicht ent-
ang nationalstaatlicher Homogenitätsvor-
stellungen definieren zu müssen. Die ihr
zugeschriebene „Mischlingsidentität“ hat
keinen Ort und kann so den Zwiespalt
zwischen ihrem Zugehörigkeitsgefühl zu
Deutschland und ihrer Vorstellung von
nationaler Identität, die an biologische Ab-
stammung gebunden ist, nicht auflösen. Sie
verwendet daher das Bild der Insel im Ver-
lauf des Interviews sehr häufig bei Fragen,
die sie zu der Unversöhnbarkeit zwischen
ihrer Vorstellung einer biologischen Her-
kunft und ihrer nationalen Identität als
RE