Sabine Klein
sein, (...) aber die sehen halt nicht, was da-
binter steckt.“
Sie nennt auch andere Gründe für ihre
Ablehnung: Hilfe in materieller Form wür-
de das Leben ihrer Verwandten aus dem
„Gleichgewicht“ bringen:
‚Man soll denen, also ich will denen keinen
Kühlschrank hinstellen oder so. Die bauen
ja selber Sachen an, was sie auch essen,
sprich von Mais und Bohnen, usw. Aber es
sind so Kleinigkeiten, die man halt kaufen
muß, so wie Zucker, Salz, was weiß ich,
Aber da braucht man Geld. Und Geld
kriegst du, wenn du arbeitest, und wenn du
keine Arbeit hast, verkaufst du das, was du
halt angebaut hast. Also in irgendeiner
Weise ist das doch ein Kreislauf, wenn dann
von der Familie vielleicht Geld kommt,
dann ist das auch gut - aber in irgend einer
Weise wird es denen, glaub’ ich, trotzdem
noch gut gehen, ohne uns.“
Susannes Bild von Kenia scheint auch
von der Erinnerung an das Leben in Kenia
während ihrer Kindheit geprägt zu sein. Sie
imaginiert ein „einfaches“, „unbeschwer-
tes“ Leben, daß sie sich von den Problemen
ihrer Verwandten vielleicht nicht zerstören
lassen will, Andererseits sind es gerade die
Bilder des „einfachen“ Lebens in Kenia, die
sie sucht, wenn sie dort Urlaub macht. Ihre
YHochzeitsreise verbringt sie in einem
„Cottage“ in Kenia am Meer.
„Wo wir da waren, daß ist halt so ein Cot-
tage, das man mieten kann, am Wasser,
und ganz gemütlich, ganz romantisch und
man bekocht sich selber und dann fällt der
Strom aus, dann hast du nicht richtig Was-
ser, sondern mit was du duschst ist halt so
entsalzenes Wasser, aber es schmeckt doch
nach Salz, und zum Kochen nimmst du Re-
genwasser, kochst du natürlich vorher ab -
also in irgendeiner Weise doch einfach und
primitiv, aber total romantisch. (...) Du bist
halt für dich allein und du kannst kochen,
was du willst, dann kommen die Fisch-
händler, die Obsthändler vorbei mit ihren
Körben, und feilschen rum, und die Katzen
und so, es ist total anders, also, ich muß also
sagen, wir sind da zu diesem Robinson
Club, daneben an, oder zu den anderen al-
les so verstellt, ich meine, du hast natürlich
alles, dein Bett wird jeden Tag gemacht, du
hast saubere Handtücher, sauberes Wasser
bestimmt weißte, daß brauche ich nicht.“
Kenia ist für sie beinahe ein fremdes
Land, auch wenn sie dort geboren ist, den
Kontakt zu ihren Verwandten hält oder
dort gelegentlich ihren Urlaub verbringt.
Es gibt für sie keine Verbindung zwischen
ihrem Leben in Deutschland und ihrem
Geburtsort Kenia, keine Vorstellungen, in
denen sie sich bezüglich ihrer „nationalen
Identität“ als „auch kenianisch“ wahrneh-
men könnte. Sie antwortet auf die Frage,
ob es etwas gäbe, woran man ihre keniani-
schen Wurzeln erkennen könne:
S.: „Nein. Wenn es sowas gab, dann ist es
verloren gegangen. Ich kann mich mit de-
nen auch kulturell nicht identifizieren.
Kann ich nicht. Ich kann die Sprache. Ich
%ann auch nicht sagen, wo der Unterschied
ist.“
T.; „Zum Deutsch sein ?“
5: „Generell zu, zur anderen Welt. Ein
Schwarzafrikaner, ein USA-Amerikaner
zum Beispiel, oder zu dem, was ich jetzt
bin, ich kann es nicht sagen.“
„Es müßte eine Insel geben, wo
Unsereiner rein gehört“
Es gibt selten Momente, in denen Susanne
ihr Leben in Deutschland zum Thema
macht. Sie ist heute 25 Jahre alt, hat bis zu
der Geburt ihres Kindes als Reiseverkehrs-
kauffrau gearbeitet und wohnt in einem
schönen großen Haus im Umland Berlins,
das sie sich letztes Jahr mit ihrem Mann zu-
sammen gebaut hat. Als ich ihrem Mann
von dem Thema des Interviews erzähle,
sagt er: „Da hast du dir die falschen ausge-
sucht, wir sind hier vollkommen eingebür-
gert“, und sie fügt hinzu: „Man ist da doch
schon in diesem Alltäglichen, das man da
überhaupt keinen Unterschied mehr merkt.“
Zu wem sollte sie auch einen Unterschied