Selbstverortungen einer schwarzen Deutschen
Ihre Mutter sieht es als Fehler an, ihren
Kindern nie deutsch beigebracht zu haben,
und bemüht sich, dies nachzuholen. Es
sind nicht nur Sprachkenntnisse, die sie ih-
ren Kindern zu vermitteln versucht, son-
dern auch „deutsches Verhalten“, meint
Susanne, „also, die hat uns schon deutsch
gepuscht“:
“Wenn wir halt zu meinem Onkel gegan-
gen sind, der lebte damals in der DDR bei
meiner Oma - es ist nicht so offen, man
sollte nicht alles rausposaunen, man mußte
sich ordentlich hinsetzen, es gab kein Ge-
renne, kein nichts, es ist, ich meine, man hat
uns immer gelobt: ‚Was für artige Kinder!‘
- oder das Kulturelle hat sie uns auch pro-
biert beizubringen, was andere auch nicht
unbedingt hatten — sie ging mit uns zur
Deutschen Oper und zu allem hin, um eben
auch die musikalische Richtung, auch der
deutschen Komponisten mal zu hören, (...)
ich meine, das hat sie uns alles beigebracht,
still zu sitzen und zuzuhören, und es gab
das vorher nicht, das war bei uns in Kenia
ein Aufstehen und Gerenne, Spielerei, ich
weiß nicht, ich hatte auch das Gefühl, die
Menschlichkeit ging irgendwie flöten — ich
weiß nicht, vielleicht kam das auch durch
sze nicht so bewußt rüber oder vielleicht
wollte sie das auch nicht unbedingt, aber
man war halt nicht mehr so offen. Man fing
an, die Leute anders anzugucken, vielleicht
zu lästern —- es muß ja nicht heißen, daß es
deutsch ist, aber sie wollte uns das wahr-
scheinlich nicht so schwer machen — na, wir
waren noch Kinder.“
Der Mutter ist wichtig, die Erinnerung
an Kenia aufrecht zu erhalten, mitunter
auch, um ihren Kindern Verständnis für
die Situation ihres Vaters nahezubringen.
Dieser hat erhebliche Probleme, mit der
neuen Situation in Deutschland fertig zu
werden. Während seine Kinder schnell
deutsch lernen und sich zunehmend an ein
Leben in Deutschland gewöhnen, hat er,
neben den Sprachschwierigkeiten, mit sei-
ner neuen Position innerhalb der Familie
zu kämpfen. Finanziell von seiner Frau
abhängig, sieht er seine Rolle als „Famili-
enoberhaupt“ gefährdet. In dieser Zeit
kommt es zu häufigen Auseinandersetzun-
gen mit Susanne, die ihm seiner Meinung
nach nicht genügend „Respekt“ entgegen-
bringt. Er wirft ihr auch vor, ihr „kentani-
sches Blut“ zu verleugnen, und nur „exro-
päisch“ sein zu wollen. Ein Vorwurf, der
zu dieser Zeit auch eine gewisse Berechti-
gung gehabt habe:
„Ich habe nie den Kontakt zu anderen
Schwarzen gesucht, habe ich nicht. Ich hat-
te natürlich amerikanische Freunde, und
darunter waren Schwarze, und die haben
mir aber auch immer vorgeworfen: ‚Susan-
ne, Du gehst nie mit uns aus, du gehst im-
mer nur mit Weißen aus.‘ Das war deren
Eindruck, also ich habe wahrscheinlich
nicht bewußt - habe ich vielleicht doch, die
Verbindung zu hellhäutigen Leuten, als zu
den Schwarzen, wahrscheinlich bewußt —
ich kann auch nicht sagen, weil, o.k., ich
fühle mich da wohler als bei euch Schwar-
zen, ihr seid ja nicht deutsch, oder ihr seid
nicht europäisch. (...) Ich hab die gern ge-
habt, aber meine Freunde waren immer
weiß! Da gab es halt nichts anderes. Ich
habe auch immer gesagt, jedes Kind, das ich
kriegen werde, ist blond-blauäugig, ist na-
türlich Schwachsinn gewesen. Ich weiß, es
ist schon recht zwiespältig, oder es ist ein-
fach die Pubertät, die mit einem durchge-
gangen ist — ich weiß nicht.“ ©
Zu ihrem Vater hat Susanne bis heute
nicht den Kontakt, den sie sich wünscht.
Susanne sieht in den Sprachschwierigkeiten
des Vaters - ihre Kommunikation verläuft
auf deutsch, englisch und suaheli - die
Hauptursache für die Konflikte, die sie mit
'hm hat, aber auch für seine Probleme mit
der Integration in Deutschland. Sprach-
kenntnisse sind für sie aus dieser Erfahrung
heraus von sehr großer Bedeutung: Um mit
ihrem Kind, welches zweisprachig, in
deutsch und serbisch/kroatisch, erzogen
wird, später keine Sprachprobleme zu ha-
ben, lernt sie derzeit serbisch/kroatisch.®
Während sie zu ihrem Bruder und ihrer