Digitalisate

Hier finden Sie digitalisierte Ausgaben ethnologischer Zeitschriften und Monografien. Informationen zum Digitalisierungsprojekt finden Sie [hier].

Suchen in

Volltext: Bilder vom Eigenen und Fremden

Irene Götz 
polykulturellen Berliner Alltag gemachte 
Erfahrungen, in denen eigene nationale 
Zuordnungen empfunden, Eigen- und 
Fremdzuschreibungen unter Rückgriff auf 
gängige Stereotypen konstruiert wurden. 
Bei den insgesamt siebzehn Interviewten 
- elf davon werden in Porträtform in die- 
sem Heft präsentiert —- handelt es sich na- 
türlich um keine nach Repräsentativitäts- 
gesichtspunkten ausgesuchte Gruppe. Viel- 
mehr spiegelt die Auswahl unserer Inter- 
viewpartnerinnen und -partner zu einem 
großen Teil auch unsere eigenen Bewe- 
gungsfelder, unser eigenes Milieu, wider. 
Dies lag vor allem auch daran, daß wir zu- 
aächst in unserem weiteren Bekanntenkreis 
aach „geeigneten“ Gesprächspartnern such- 
ten, d. h. nach Personen, die vermutlich auf- 
grund bestimmter Lebenserfahrungen zu 
unserer Fragestellung Interessantes, Über- 
raschendes, Neues oder auch „Typisches“ 
zu sagen hätten. Aus pragmatischen Grün- 
den — leichte Erreichbarkeit bei Nach- 
fragen, keine Reisekosten etc. - sollten die 
interviewpartner im Raum Berlin leben. 
Außerdem erschien uns Berlin als neue 
Hauptstadt und aufgrund der hier sehr vi- 
rulenten Ost-West-Thematik ein be- 
sonders aufschlußreicher Ort für Erhebun- 
gen zu nationalen Selbst- und Fremdbil- 
dern. 
Fast alle Interviewten haben einen höhe- 
ren Schulabschluß, viele davon gehören 
unserer eigenen Altersgruppe der etwa 25- 
bis 35jährigen an. Allerdings bemühten wir 
uns darum, auch ältere Gesprächspartner 
mit in das Sample aufzunehmen (Dr. Wei- 
ning, Frau Jacob). Wichtig war uns auch, 
etwa gleich viele Frauen wie Männer sowie 
Ost- und Westdeutsche zu interviewen 
und, um eigene Voreinstellungen und ent- 
sprechende Einseitigkeiten des Samples zu 
korrigieren, wenigstens hinsichtlich des 
Herkunftsmilieus der Familien eine gewis- 
se soziale Streuung zu erzielen. Auch such- 
ten wir Interviewpartnerinnen und -part- 
ner, die unsere eigenen eher linksliberalen 
und häufig entsprechend in Bezug auf das 
Untersuchungsthema skeptisch-kritischen 
Überzeugungen nicht unbedingt zu teilen 
versprachen. Allerdings wurden Interviews 
mit regelrechten „Nationalisten“ und sich 
ım Vorfeld bereits zu erkennen gebenden 
„Ausländerfeinden“ aus methodischen 
Gründen ausgeschlossen.’ 
Trotz der bewußt anvisierten großen Un- 
cerschiedlichkeit der Fälle durchzieht ein 
Grundmotiv alle Interviews wie ein roter 
Faden. Es war ein Unbehagen oder sogar 
die Ablehnung, sich als Deutsche(r) zu 
identifizieren, die fast durchgängig zum 
Ausdruck gebracht, allerdings im Einzelfall 
unterschiedlich motiviert und begründet 
wurde. Diese Grundeinstellung erklärt sich 
sicherlich nicht allein durch die erwähnten 
sozialen oder politisch-weltanschaulichen 
Einseitigkeiten unseres Samples, Vielmehr 
scheint dieses Motiv generellere gesell- 
schaftliche Ursachen und Prozesse zu re- 
flektieren. Damit sind wir zunächst bei der 
‚jüngeren deutschen Geschichte und dann 
‚eilweise wieder bei den eingangs skizzier- 
ten aktuellen Debatten über die generelle 
Ausdifferenzierung oder Auflösung natio- 
naler Identitäten angelangt. 
Denn wir suchten, mit der Absicht, uns 
in diese Debatten einzuklinken, gezielt — 
neben interessanten Zeitzeugen, die über 
den Einfluß der „großen“ national konno- 
tierten Zeitgeschichte auf ihr Leben zu be- 
richten hätten —- Personen z.B. binationaler 
Herkunft oder aus Migrantenfamilien, die 
allesamt schon von ihrer Biographie her 
nach dem gängigen Verständnis von „typi- 
schen Deutschen“ nicht in kulturelle Ho- 
mogenitätsschablonen passen.!* Diese 
deutliche Akzentuierung unseres Samples 
folgte erstens der Überlegung, daß auf die- 
se Weise vermieden werden könnte, die 
problematischen nationalen Homogeni- 
tätsvorstellungen weiter durch die Inter- 
views fortzuschreiben. Zweitens sollte es 
so möglich werden, die subjektive Rele- 
vanz der oben angeschnittenen postnatio- 
nalen Identitätskonzepte für den Einzelfall, 
für das individuelle Selbstverständnis aus
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.