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Volltext: Band: Die Aranda- und Loritja-Stämme in Zentral-Australien, 2. Teil, Mythen, Sagen und Märchen des Loritja-Stammes : die totemistischen Vorstellungen und die Tjurunga der Aranda und Loritja

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Die Zeichen, die mittelst eines Opossum-Zahnes (imora detja) in die tjurunga einge- 
graben werden, sind meist konventionell, so daß nur ein Eingeweihter dieselben zu entziffern 
vermag. Vorherrschend sind konzentrische Kreise oder Spirallinien, sowie semikonzentrische 
Kreise und Parallellinien. Die konzentrischen Kreise resp. Spirallinien können vielerlei 
bezeichnen: Lagerplätze, Bäume, Rücken, Bauch, Fett eines Totem-Vorfahren oder -Tieres 
usw. Die semikonzentrischen Kreise bezeichnen gewöhnlich einen Totem-Vorfahren in 
sitzender Stellung, die parallellaufenden Linien entweder die Fußpfade oder die Zeichnungen, 
die ein Totem-Vorfahre über der Brust trug usw. Manche tjurunga sind auch für den 
Uneingeweihten kenntlich durch die auf denselben eingravierten Fußeindrücke.!) 
Zu den tjurunga gehören auch die, wohl unter den meisten der australischen Volksstänme 
bekannten Schwirrhölzer, die an einer langen Schnur geschwungen einen weithin hörbaren, 
drummenden Laut erschallen lassen. 
Die Aranda haben zwei Arten von Schwirrhölzer, eine größere, die nankara [d. h. der 
Schwirrende, der Tönende] und eine kleinere, die namatuna [Grasschläger]?) genannt wird. 
Es möge nun an dem Lebenslauf eines Mannes dessen genauere Beziehungen zu den 
verschiedenen tjurunga-Arten näher geschildert werden. 
Sobald eine Frau weiß, daß sie schwanger, daß also ein ratapa in sie eingegangen 
ist, geht der Großvater des zu, erwartenden Kindes, entweder der aranga [Großvater väter- 
licherseits] oder der tjimia [Großvater mütterlicherseits] zu einem Mulga-Baum (ititja) und 
schnitzt eine kleine tjurunga, auf der er mit einem Opossum-Zahn Zeichen eingräbt, die 
mit dem Totem-Vorfahren oder mit dessen Totem zusammenhängen; er bestreicht dieselbe 
mit rotem Ocker und legt sie in die Steinhöhle, in der die andern. tjurunga aufbewahrt 
werden. Ist das Kind geboren, so schreit es fortwährend nach seiner tjurunga. Um das 
Kind zu beruhigen, macht sich der Großvater nebst einigen andern Männern auf und holt 
die tjurunga aus der Steinhöhle heraus; den Weibern sagt man, der Großvater suche die 
tjurunga oder vielmehr die papa,*®) die das Kind verloren habe, als es in seine Mutter ein- 
gegangen sei. Diese tjurunga wickelt der Großvater in Schnüre, damit die Weiber dieselbe 
ıicht sehen und legt sie, mit ulkumba, der zerriebenen Rinde des Gummibaumes, bedeckt 
ın die Holzmulde, in der das Kind während des ersten Lebensjahres von der Mutter umher- 
getragen wird. Dann wird das Kind in der Weise hineingelegt, daß sein Kopf gerade über 
der tjurunga papa zu liegen kommt. Man nimmt an, daß von dieser tjurunga geheime 
Kräfte in den Körper des Kindes übergehen, vermöge deren es schnell wächst und gedeiht. 
Ist das Kind größer geworden, so wird die papa in die arknanaua zu den andern tjurunga 
gelegt. Ist der Knabe herangewachsen und an ihm die Beschneidung vollzogen (intunama), 
so wird ihm, der von jetzt an rukuta genannt wird, ein großes Schwirrholz in die Hand 
gegeben. Diese nankara stellt den geheimnisvollen Leib seines mütterlichen Totem-Vor- 
fahren, seines altjira, dar, von dem man annimmt, daß er von jetzt an den rukuta auf seinen 
einsamen Wanderungen begleite und beschütze. Auf dieser nankara sind Zeichen, die sich 
auf den betreffenden altjira beziehen, eingegraben. Den Weibern gegenüber wird diese 
;jurunga nankara für den Leib des Tuaniiraka ausgegeben: die lange Schnur. an der sie 
‘)s. I Taf. II Fig. 1 und 4, 
?) [s. namatwinna bei Spencer und Gillen Nat. Tr. pag. 652 und die dort gegebene Ableitung des 
Wortes. Der Herausgeber.] 
°) papa = Stab, Stock, Holz. Den Weibern gegenüber wird niemals das Wort tjurunga, sondern immer 
japa gebraucht.
	        
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