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das Herz eines Emu (ilia tukuta) usw.; ja selbst einzelne Stöcke, die die Totem-Vorfahren
besessen haben, werden als tjurunga angesehen usw.!) Ganz eigentümlich sind die hohlen
‘Jurunga (tjurunga ulbura), die die Wohnung eines altjiranjamitjina darstellen. -
Auch mit jeder Frau ist eine tjurunga verbunden, die diese jedoch niemals sehen: darf.
Würde früher ein Mann einer Frau eine tjurunga gezeigt haben, so würden beide getötet
worden sein. Die Todesstrafe wurde sogar an einer Frau vollzogen, die eine tjurunga
zufällig gefunden hatte. Auch heute wachen die Aranda noch ängstlich darüber, daß eine
solche keiner Frau zu Gesicht kommt.
Diese tjurunga werden, wie schon gesagt, in Steinhöhlen, arknanaua,?) aufbewahrt;
arknanaua bedeutet: geschützter, verwahrter Ort, der von Uneingeweihten nicht betreten
werden darf; kein Weib oder Kind darf sich bei Androhung der Todesstrafe einem solchen
Platz nähern. Diese Höhlen werden als heilige Orte, als Kultusstätten, angesehen. Daß
die Eingeborenen den letzteren Begriff mit diesem Wort verbinden, entnehme ich dar-
aus, daß, als ich für meine Übersetzungsarbeiten einen Ausdruck für Kirche suchte, mir
zwei getaufte Schwarze allen Ernstes das Wort arknanaua vorschlugen, nachdem ich ihnen
eingehend den Begriff Kirche dargelegt hatte; da jedoch die Schwarzen mit dem Wort
arknanaua zu viele heidnische Anschauungen verbinden, so lehnte ich diesen Ausdruck ab.
— Der Eingang zu diesen Stätten?) ist so versteckt gehalten, daß ein Uneingeweihter die-
selben niemals von selbst finden würde. Ihre Umgebung ist bis zu einem gewissen Grad
'abu. Ein Tier, das angespeert in der Nähe einer arknanaua liegen bleibt, wird nicht ange-
wührt oder weggetragen; auch wird in der Nähe einer solchen Höhle Streit möglichst
vermieden. Würde jedoch ein Verbrecher, z. B. ein Mörder, dieselbe als Freistatt benutzen
wollen, so würde ihm das nichts helfen; er würde nicht bloß in der Umgebung, sondern
ın der arknanaua selbst, erschlagen werden.
Die Aufsicht über diese arknanaua hat gewöhnlich der Häuptling (inkata) des in der
Nähe der Steinhöhle befindlichen Lagerplatzes, der auch.in den meisten Fällen dem Totem
der in denselben aufbewahrten tjurunga-Hölzer oder -Steine angehört. Obwohl die tjurunga
persönliches Eigentum derer sind, mit denen sie verbunden sind, so werden sie doch
meistens in den arknanaua aufbewahrt und nur bei festlichen Gelegenheiten hervorgeholt.
Als persönliches Eigentum werden sie auch vererbt. Stirbt ein Mann, so erbt der älteste
Sohn oder der Neffe (amba) die tjurunga des Verstorbenen; ist derselbe noch zu jung, so
fällt dieselbe einem jüngeren Bruder des Verstorbenen zu. Die mit einer Frau verbundene
urunga, die bei ihren Lebzeiten von ihrem Vater oder Bruder bewacht wird. erbt nach
Ihrem Tode ihr älterer Bruder (kalja) oder ihr Sohn (amba).
Die tjurunga-Hölzer oder -Steine werden manchmal an die Bewohner eines befreundeten
Lagerplatzes verliehen; dies wird. als ein Freundschaftsdienst angesehen, der die Glieder
der einzelnen Lagerplätze näher mit einander verbindet.
Der tjurunga wird eine geheime, magische Kraft zugeschrieben, besonders den tjurunga
der Totem-Vorfahren, da sie ja den Körper derselben repräsentieren. Wird z. B. eine
tjilpa [wilde Katze]-tjurunga mit Fett und rotem Ocker bestrichen, so geht, wie schon oben
bemerkt. eine Kraft von ihr aus auf alle wilde Katzen: dieselben werden fett und vermehren
) s. die Abbildungen im ersten Heft Tafel III, Fig. 4, Fig. 6 und Tafel IV, Fig. 2.
’) Hergeleitet wird dieses Wort von arknala == vor, d. h. vor einem stehen, um ihn zu schützen;
von diesem Wort leiten sich folgende Verba ab: arknant&rama = bewahren, arknantaiuma = beschützen,
behüten, arknatanama = bewahren, aufhalten, arknaterama = abhalten [vom Schlagen].
3) s. die Bilder pag. 51 und 75.