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Frauen und Kindern dürfen sie bei Todesstrafe nicht gezeigt werden. Auch die Loritja
verleihen dieselben als Freundschaftsbeweis für eine Zeitlang nach anderen Lagerplätzen.
Die Bedeutung der kuntanka besteht für die Loritja darin, daß dieselbe ein Bild des
Leibes ist, das mit der betreffenden Person so eng verbunden ist, wie der Schatten mit dem
X<örper. Die Loritja fassen also die kuntanka mehr symbolisch, obwohl sie doch auch
andernteils behaupten, daß die kuntanka der gemeinsame Leib des Individuums mit seinem.
woltara ist. Der konkreten Auffassung der Aranda, die in der tjurunga den’ wirklichen,
wenn auch geheimen, Leib des iningukua sehen, tritt die mehr bildliche Ausdeutung der
Loritja gegenüber, die die kuntanka für das Bild des Leibes erklärt. ,
Trotz dieser theoretisch verschiedenen Auffassung ist doch das Ansehen der kuntanka
in der Praxis bei den Loritja ebensogroß wie bei den Aranda. Die kuntanka begleitet den
„oritja durch sein ganzes Leben. Sobald das Kind geboren ist, macht sich dessen Groß-
vater [Vaters Vater] = tamu auf und verfertigt eine kleine kuntanka, die den Weibern
gegenüber als kunti [Stock] bezeichnet wird; dieselbe wird in die Mulde gelegt, in der das
Kind herumgetragen wird und soll das Wachstum des Kindes befördern und kommt. dann
in die heilige Steinhöhle. Später geht der Vater des Kindes mit zwei älteren Männern zu
einem Mulgabaum, neben dem sie einen Mann mit geschmücktem Oberkörper — nämlich
den woltara des Kindes — stehen zu sehen behaupten. Sobald die drei Männer näher
kommen, stellt sich der woltara hinter den Baum und geht dort in die Erde ein. Die drei
Männer gehen nun an den Baum heran, worauf einer von ihnen mit einem Steinbeil den
Baum umhaut; während derselbe fällt, umfassen ihn die Männer und lassen ihn behutsam
auf den Boden gleiten. Aus dem Holz dieses Baumes verfertigen sie eine große kuntanka,
die sie in die ngalkilba legen, als das Bild oder Symbol des Körpers des woltara.
Sobald an dem Jungen die Circumcision vollzogen ist, wird ihm ein großes Schwirr-
nolz (apuju)) in die Hand gegeben, auf dem die Zeichen des Totems seiner Mutter ein-
gegraben sind, da ihn von dieser Zeit an sein altjiri auf seinen Wanderungen begleitet.
Wenn dem jungen Mann der Bart wächst, so wird ihm ein kleines Schwirrholz
(mantiki)*) gegeben, das er schwingt, wenn er sein versprochenes Mädchen zu heiraten
wünscht.
Später wird er zu der Steinhöhle geführt, in der seine, von den drei Männern ver-
fertigte kuntanka aufbewahrt wird. Dieselbe wird ihm mit folgenden Worten gezeigt:
Nangata nuntu ananguringuta®). Nuntu nangaku nintirikanantaku nuntunkuku. Nuntu
Dieses du Leib geworden bist. Du dieses (Genitiv) erkennen sollst dein selbst. Du
kutubaku woltarikanitjipinka! nuntunku nangata ngarimai kutul
eine andere nicht zugehörig werden soll! Dein diese liege immer!
d. h.: Dieses ist dein Körper geworden. Diese kuntanka sollst du für deinen eigenen Leib
ansehen. Hüte dich, daß du dir keine andere kuntanka zueignest! Diese gehört dir für immer!
Solange diese kuntanka in der Steinhöhle in Sicherheit liegt; so ist auch das Wohl des
mit ihr verbundenen Individuums garantiert, da der woltara sein zweites Ich auf dessen
Wanderungen begleitet. Wird die kuntanka jedoch verloren oder von Feinden gestohlen,
‘8, pag. 49.
*) [mantiki ist sprachlich sicher verwandt mit mandeken oder mandaka, welche Bezeichnung für
das kleine Schwirrholz Klaatsch bei den Niol-Niol an der Beagle-Bay festgestellt hat; s. Zeitschrilt für
Sthnologie 1907, pag. 684. Der Herausgeber.]
*) ananguringuta, abgeleitet von anangu = Leib (= (A) mburka); ananguringafıi ein Körper werden,
ananguringuta ein Körper geworden.