Buchbesprechungen und Bibliographien
P. Hermanns meint, die Mongolidenfrage am besten an den Lepcha (Rong) von
Sikkim studieren zu können und widmet ihnen eine längere Untersuchung. Es gibt bei
ihnen zahlreiche Schöpfungs- und Sintflutmythen, die sich teils ähneln, teils wider-
sprechen; manches deutet auf tibetische Herkunft, sehr vieles aber findet sich weithin
über Asien verstreut. Die Gottesideen sind polytheistisch. Der Mun (es gibt auch weib-
liche Mun) und der Bong-thing sind Vermittler zwischen Gott und Mensch und üben ihr
Amt durch das Darbringen von Opfern, durch Trancetänze und Krankheitszauber aus.
Dabei werden all jene Geräte, wie Trommel, Knochenflöte, Schädelschale usw., nicht
verwendet, die den tibetischen und nordasiatischen Zauberern und Schamanen SO
teuer sind. Deshalb können Mun und Bong-thing nicht mit den tibetischen Bon - po
identisch sein, sondern sie gehören nach des Verfassers Ansicht einem primitiven,
vorschamanistischen Priesterstande an, der aufs engste dem mancher primitiver
Stámme Indiens gleicht (S. 55, 95). Sehr ausführlich sind die Opferriten der Mun und
Bong-thing, sowie die Jagd- und Landbauopfer wiedergegeben.
Das Kapitel über die materielle Kultur ist seltsamerweise "The social classes of
the Rong'' betitelt. Die Lepcha haben eine Uberlieferung, daB sie bis zum 17. Jahr-
hundert Jäger und Wildbeuter waren. Leider konnte P. Hermanns nicht die botanischen
Namen jener Pflanzen eruieren, die durch besondere Behandlung entgiftet und bei
schlechten Ernten als Ersatznahrung verwendet werden (S.96). Solche Feststellungen
könnten von hohem wirtschaftlichem Werte sein, doch bemühen sich Ethnologen leider
nur in den seltensten Fällen darum.
Die Lepcha hätten den Bodenbau nicht von anderen Völkern gelernt, sondern
andere Völker in sich absorbiert, die bereits mit der Landwirtschaft vertraut waren.
Demnach haben sie eben doch von anderen Völkern gelernt und den Landbau nicht
selbst entwickelt. Den wirtschaftlichen Werdegang der Lepcha gleich auf alle übrigen
Bergvölker Südostasiens zu übertragen, ist allerdings eine fragwürdige Verallge-
meinerung (S. 104). Es folgt eine etwas karge Übersicht über die Bhutan-Völker und
ihre Verwandten.
Die Völker des südlichen Himalaja gehören alle zur tibetoburmanischen Sprach-
gruppe, rassisch aber sind sie wie die Zentralasiaten aus mongoliden und nichtmongo-
liden Elementen gemischt. Die Nichtmongoliden, hier als europoid bezeichnet, wären
die einstigen Jäger- und Viehzüchternomaden, die sich unter mongoliden Ackerbauern
an deren Wirtschaftsform mit seßhafter Lebensweise und hauptsächlich vegetabiler
Nahrung adaptierten und sich mit der Zeit auch rassisch umbildeten (S. 121).
Von den europiden Formen im nördlichen Hinterindien (v. Eickstedt hat sie be-
'sonders unter den Lolo gefunden) sagt P. Hermanns richtig, daB sie ,viel den ein-
gestrómten Nomadenvólkern Innerasiens verdanken" (S.128). Nun aber gleich die
Palámongoliden ,nur eine schwache Hinneigung dieses (europiden) Typus gegen die
Mongoliden hin" (S. 128) zu nennen, scheint mir zu weit zu gehen. Der Verfasser hat
die Neigung, die Zugehórigkeit zu einer der mongoliden Rassen in der Hauptsache
vom Vorhandensein der Mongolenfalte des Auges abhángig zu machen. Mongolider
Einschlag ist jedoch auch bei Fehlen typisch mongolider Merkmale im Erscheinungsbild
meist ohne weiteres erkennbar.
P.Hermanns stellt die einst weite Verbreitung mongolider tibetoburmanisch
sprechender Vólker in ganz Nordost-Indien und im Himalaja bis weit nach Westen
heraus; diese Kiráta der Veden sind im Laufe der Zeit zu einem großen Teil sprachlich
indoarisiert und kulturell hinduisiert worden. S. K. Chatterji nennt sie ,Indo-Mongo-
loide", P. Hermanns móchte sie lieber als ,Indo-Tibeter" bezeichnen, was nicht nur
sprachlich und geographisch, sondern auch anthropologisch zutreffender wáre, da sie
nicht ausschlieBlich mongolide Elemente enthalten (S: 130).
Zum Schluß hat der Autor sehr treffend die enge sprachliche und kulturelle Ver-
flechtung der alten austroasiatisch und tibetoburmanisch sprechenden Völker mit den
jüngeren, vorwiegend indoarisch bestimmten, gekennzeichnet. Vokabular, ja selbst
Syntax, der indoarischen Sprachen Bengali und Assami zeigen ein starkes tibetobur-
manisches (Bodo) und austroasiatisches (Khasi) Substratum (S. 140). Abzulehnen. hin-
gegen ist die Vermutung, das Stieropfer der Naga sei von den Hindu entlehnt (S. 150),
stammt es doch bestimmt aus einer sehr viel älteren, Schicht.