Studien in alten Briefstellern
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eines Briefstellers feinen Namen verschämt zu ver
schweigen. Vor zweihundert Jahren dagegen urs e
auch ein gelehrter Mann noch stolz daraus sein, emen
Briefsteller geschrieben zu haben. Ich besitze emen
solchen im Jahre 1663 herausgegeben von denl kmfer-
lichen Notar Alhard Möller, der sich hinter der Vor
rede von seinen Freunden und Brüdern in latemrschen
Distichen und deutschen Alexandrinern besingen aß
für das ruhmreiche Werk, den nachfolgenden Brief
steller geschrieben zu haben. Es gemahnt das an ge
feierte Sängerinnen, die nach echtem Komö ran en
brauch ihre sämtlichen Lorbeerkränze im Vorzimmer
aufhängen. Aber unser kaiserlicher Notar geht noch
weiter. Denn nachdem er die sämtlichen Lobgedlchte
seiner Freunde im Vorzimmer des Buches ausgehangen
singt er selber auch noch in lateinischen Versen Ad
Librum seinen eigenen Briefsteller an, und dann ers
öffnet er uns die Türe, die zunächst zu der Unter
suchung über den „Begriff einer Epistel" führt.
Im siebzehnten Jahrhundert mußte ein Briefsteller
mit griechischen und lateinischen Zitaten fett gefpr
sein, wie ja damals auch die schlichteste Pre lg
solcher Ornamentik nicht entbehren durfte, und wenn
sie auch vor einer Bauerngemeinde gehalten wurde.
Den meisten Menschen sind überhaupt die Dinge am
erbaulichsten, die sie nicht verstehen. Auch tat der
Handwerker damals immer wichtiger mit den Zunft--
geheimllissen, je mehr Zunft und Handwerk verfielen,
das lateinische Zitat aber war das Zunftgeheimms
des gelehrten Handwerks.