58
Oktober, zuweilen sogar erst im November gefeiert — mit Rücksicht auf
den am 27. Oktober auf Riigen stattfindenden Dienstbotenwechsel.
Das Erntefest beginnt mit der Überreichung der Erntekrone an den
Gutsherrn. Die Erntekrone wird mit Buchsbaum, Tannenreisern, Blumen,
ferner mit Ährenbüscheln von jeder einzelnen Kornart, Äpfeln, Birnen, Rüsten
und zwei Puppen geschmückt und gewöhnlich oben aus der zuletzt errichteten
Kornmiete angebracht. Von hier wird die Krone am Tage des Erntefestes
heruntergeholt und in feierlichem Zuge zum Gutshofe getragen, wo die Vor
binderin sie mit einem langen Spruch dem Herrn übergibt. Aus dem Spruch
eine kleine Probe:
Wi hebben bunn' up de Barg un in de Grünn',
Wi hebben inführt, dat dat Sand het stööwt.
Unse Herr het updrägen laten,
Dat de Disch sich het böögt,
Eene Tunn' Bier mit twölf Bann',
Dormit hebben wi unsen Aust vollend't.
Und zum Schluß heißt es:
Nun haben wir noch eine Bitte an den Herrn:
Er möge erlauben/ daß wir können heut' abend recht lustig sein,
Un uns verihren sinen Grotknecht,
Dormit will'n wi herümspringen linksch un rechtsch.
Wi bidden de Herrschaft ok üm den Huushahn,
- Dormit willen wi hüüt abend kruus gähn.
Nachdem die Erntekrone überreicht ist, beginnt der Tanz. Zuerst tanzen
der Hausherr und die Hausfrau, indem sie die Erntekrone in der Hand halten.
Darauf tanzt der Hausherr mit der Vorarbeiterin und die Hausfrau mit dem
Vorarbeiter, wobei die Erntekrone von einem Tänzerpaare zum anderen weiter
gereicht wird. Wenn jeder einmal mit der Krone getanzt hat, wird diese an
der Decke des Hausflurs oder sonst an geeigneter Stelle befestigt und bleibt
hier das ganze Jahr hindurch hängen.
Darnach wird gespeist. Es gibt in der Regel Schweinebraten mit Back
pflaumen und dicken Reis. Nach dem Essen tritt der Tanz in sein Recht.
Getanzt wird auf dem Lande mit großer Beweglichkeit und mit solcher Airs
dauer und mit so großem Kraftaufwand, daß man füglich staunen muß. Dazu
kommt, daß der Takt der Musik oft mit hellem „Juchen" und lautem Auf
stampfen begleitet wird. Infolgedessen macht der Tanz auf den Uneingeweihten
oft einen etwas wilden, ausgelassenen Eindruck. Aber diese scheinbare Wild
heit ist nur ein Ausdruck der ungezügelten Freude und der völligen Hingabe
an den Festesjubel. Laute Äußerung der Freude gehört aber nach der Mei-
nung der Leute zu einer richtigen Feier der Ornklaatsch, und die Erinnerung
an solch eine unter lärmendem Jubel und Trubel verlaufene Festfeier hält
oft für ein Jahrzehnt und länger vor.
Die Tänze, die am liebsten getanzt werden, sind von den Rundtänzen
Walzer, Polka, Kreuzpolka, Schottisch, Bummelschottisch, Galopp, Schüddel-
büp, Vadder-Michel, Herr-Schmidttanz, und von den sogenannten bunten
Tänzen, die gewöhnlich als twee- oder viertourige bezeichnet werden, Schwe
dische Quadrille, Rosenquadrille, Kußquadrille, Kiekbusch ick seih di, Dunkel-
schatten, Winkedanz u. a. Zu vielen dieser Tänze gibt es Tanzlieder, die zur
Erhöhung der Stimmung von allen Anwesenden mitgesungen werden.