Volltext: Rügensche Volkskunde

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Oktober, zuweilen sogar erst im November gefeiert — mit Rücksicht auf 
den am 27. Oktober auf Riigen stattfindenden Dienstbotenwechsel. 
Das Erntefest beginnt mit der Überreichung der Erntekrone an den 
Gutsherrn. Die Erntekrone wird mit Buchsbaum, Tannenreisern, Blumen, 
ferner mit Ährenbüscheln von jeder einzelnen Kornart, Äpfeln, Birnen, Rüsten 
und zwei Puppen geschmückt und gewöhnlich oben aus der zuletzt errichteten 
Kornmiete angebracht. Von hier wird die Krone am Tage des Erntefestes 
heruntergeholt und in feierlichem Zuge zum Gutshofe getragen, wo die Vor 
binderin sie mit einem langen Spruch dem Herrn übergibt. Aus dem Spruch 
eine kleine Probe: 
Wi hebben bunn' up de Barg un in de Grünn', 
Wi hebben inführt, dat dat Sand het stööwt. 
Unse Herr het updrägen laten, 
Dat de Disch sich het böögt, 
Eene Tunn' Bier mit twölf Bann', 
Dormit hebben wi unsen Aust vollend't. 
Und zum Schluß heißt es: 
Nun haben wir noch eine Bitte an den Herrn: 
Er möge erlauben/ daß wir können heut' abend recht lustig sein, 
Un uns verihren sinen Grotknecht, 
Dormit will'n wi herümspringen linksch un rechtsch. 
Wi bidden de Herrschaft ok üm den Huushahn, 
- Dormit willen wi hüüt abend kruus gähn. 
Nachdem die Erntekrone überreicht ist, beginnt der Tanz. Zuerst tanzen 
der Hausherr und die Hausfrau, indem sie die Erntekrone in der Hand halten. 
Darauf tanzt der Hausherr mit der Vorarbeiterin und die Hausfrau mit dem 
Vorarbeiter, wobei die Erntekrone von einem Tänzerpaare zum anderen weiter 
gereicht wird. Wenn jeder einmal mit der Krone getanzt hat, wird diese an 
der Decke des Hausflurs oder sonst an geeigneter Stelle befestigt und bleibt 
hier das ganze Jahr hindurch hängen. 
Darnach wird gespeist. Es gibt in der Regel Schweinebraten mit Back 
pflaumen und dicken Reis. Nach dem Essen tritt der Tanz in sein Recht. 
Getanzt wird auf dem Lande mit großer Beweglichkeit und mit solcher Airs 
dauer und mit so großem Kraftaufwand, daß man füglich staunen muß. Dazu 
kommt, daß der Takt der Musik oft mit hellem „Juchen" und lautem Auf 
stampfen begleitet wird. Infolgedessen macht der Tanz auf den Uneingeweihten 
oft einen etwas wilden, ausgelassenen Eindruck. Aber diese scheinbare Wild 
heit ist nur ein Ausdruck der ungezügelten Freude und der völligen Hingabe 
an den Festesjubel. Laute Äußerung der Freude gehört aber nach der Mei- 
nung der Leute zu einer richtigen Feier der Ornklaatsch, und die Erinnerung 
an solch eine unter lärmendem Jubel und Trubel verlaufene Festfeier hält 
oft für ein Jahrzehnt und länger vor. 
Die Tänze, die am liebsten getanzt werden, sind von den Rundtänzen 
Walzer, Polka, Kreuzpolka, Schottisch, Bummelschottisch, Galopp, Schüddel- 
büp, Vadder-Michel, Herr-Schmidttanz, und von den sogenannten bunten 
Tänzen, die gewöhnlich als twee- oder viertourige bezeichnet werden, Schwe 
dische Quadrille, Rosenquadrille, Kußquadrille, Kiekbusch ick seih di, Dunkel- 
schatten, Winkedanz u. a. Zu vielen dieser Tänze gibt es Tanzlieder, die zur 
Erhöhung der Stimmung von allen Anwesenden mitgesungen werden.
	        
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