Volltext: Rügensche Volkskunde

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orte Göhren, Tyiessow, Baabe, Alt-Reddewitz haben eine ständig fortschreitende 
Abnahme der Tracht zur Folge gehabt. Um dem entgegenzutreten, hat sich 
1908 eine „Ortsgruppe für Erhaltung der Mönchguter Volkstrachten" und 
1915 ein „Verein für Mönchguter Hausweberei" gebildet. Beide Vereini 
gungen haben bereits gute Erfolge zu verzeichnen, und die von der Ortsgruppe 
alljährlich im Juli veranstalteten Trachtenfeste hatten sich bisher eines reichen 
Zuspruches von Einheimischen und Fremden zu erfreuen. Wenn es vielleicht 
auch nicht getingen wird, den Untergang der Tracht für alle Zeiten zu ver 
hindern, so ist es doch wohl möglich, das Schwinden der Tracht für die 
nächsten 2—3 Generationen aufzuhalten, und das ist auch schon der Mühe 
wert. Vgl. Haas und Worm: Die Halbinsel Mönchgut und ihre Bewohner, 
Stettin 1909, 43—53. 
Die Volkssprache der Rügianer ist das Niederdeutsche oder Plattdeutsche. 
Allerdings bedarf dieser Satz für die neueste Zeit einer gewissen Einschränkung. 
Wenn ein Fremder heutzutage nach Rügen kommt, so hört er auf den Bahn 
höfen, in den größeren Ortschaften und besonders in den Badeorten wahr 
scheinlich mehr Hochdeutsch als Plattdeutsch, und wenn er etwa in Saßnitz 
oder Binz einen Einheimischen plattdeutsch anredet, so kann es ihm begegnen, 
daß er eine hochdeutsche Antwort erhält. Desgleichen ist nicht in Abrede zu 
stellen, daß im Laufe der letzten 40—50 Jahre die hochdeutsche Mundart in 
manchen alteingesessenen Familien häusliche Umgangssprache geworden ist. 
In anderen Familien wird zwar für gewöhnlich plattdeutsch gesprochen; aber 
sowie Besuch ins Haus kommt, hört man nur hochdeutsche Worte. Wieder 
andere Familien gibt es, in denen die älteren Leute noch plattdeutsch, die 
jungen hochdeutsch sprechen. 
Dieses Eindringen des Hochdeutschen in die vordem rein plattdeutsche 
Volkssprache findet seine Erklärung einmal durch den gesteigerten Fremden 
verkehr auf der Insel und den häufigen Wechsel der Beamten, sodann durch 
den Schulbesuch der Kinder, durch den Militärdienst der jungen Männer und 
endlich auch durch die wachsende Verbreitung des Zeitungswesens. 
Nichts desto weniger dürfen wir doch behaupten, daß die bei weitem 
größere Mehrzahl der Rügianer bis jetzt dem Plattdeutschen treu geblieben 
ist und daß man auf dem platten Lande, in den Dörfern und auf den Guts- 
höfen, nichts anderes als plattdeutsche Laute hört. 
Das Plattdeutsche ist durch die aus Westdeutschland zugewanderten 
Kolonisten im 13. und 14. Jahrhundert nach Rügen verpflanzt worden und 
diente in den ersten Jahrhunderten nicht nur als Umgangs-, sondern auch als 
Schriftsprache. Die älteren Urkunden sind, soweit sie nicht lateinisch abgefaßt 
sind, in plattdeutscher Sprache niedergeschrieben. Fürst Wizlaw III., der 
1302—1325 regierte, dichtete in niederdeutscher Sprache. Erst im Resor- 
mationszeitalter wurden zunächst in der herzoglichen Kanzlei zu Stettin und 
seit etwa 1543 auch in der Wolgaster Kanzlei die amtlichen Schriftstücke in 
hochdeutscher Sprache abgefaßt; auf die Umgangssprache hatte diese Neuerung 
aber keinen Einfluß. Ja, die lutherische Lehre wurde der pommerschen und 
rügenschen Bevölkerung in der niederdeutschen Landessprache zugänglich gemacht. 
Auf Rügen hat sich das Plattdeutsche als Kanzelsprache bis um die Mitte 
des 17. Jahrhunderts gehalten; erst in dem Jahrzehnt 1650—1660 trat das 
Hochdeutsche an seine Stelle. Christian Buker, der 1626—1660 Pastor in 
Lancken war, ist der letzte gewesen, der auf Rügen „Nieder-Sächsisch oder
	        
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