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und zu Rechtsstreit geneigt, wie ihre Vorfahren. . . Die männlichen Ange
sichter zeigen auffallende, scharf markierte Züge, aber kein eigentümliches,
nationales Gepräge. Unter dem weiblichen Geschlechte gibt es hin und wieder
recht hübsche, nicht bloß frische, sondern auch feine Gesichter, aber wenig schöne
Gestalten, weil unter der Last früher schwerer Dienstgeschäste der Körper nicht
allmählich ausgebildet, sondern gewaltsam ausgereckt und bald steif und un
schmiegsam wird.
Nach Mitteilung dieser von besten Kennern gegebenen Charakteristiken
erübrigt es für den Verfasser, hier weitere Eigenschaften seiner Landsleute auf
zuzählen. In den folgenden Abschnitten über Aberglauben, Sitte und Brauch
werden so wie so noch einzelne Charakterzüge zur Sprache kommen.
4. Volkstracht und Volkssprache.
Von einer besonderen individuellen Volkstracht kann auf Rügen — von
der Halbinsel Mönchgut abgesehen — nicht die Rede sein, denn die Rügianer
unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Tracht in keiner Weise von anderen Menschen.
Auch das, was Grümbke II 59 f. über die vor hundert Jahren übliche Tracht
der Rügianer im allgemeinen berichtet, bestimmt diese nicht als eine Sonder
tracht, sondern beschreibt nur die damals allgemein übliche Kleidermode.
Eine Tracht in volkskundlichem Sinne hat sich aber noch aus der Halb
insel Mönchgut erhalten, und eine solche existierte bis vor etwa 100—120
Jahren auch aus den beiden Nebeninseln Hiddensee und Ummanz.
Einige spärliche Nachrichten über die Tracht der Hiddenseer und Um-
manzer haben sich bei Zöllner (Reise durch Pommern nach der Insel Rügen,
Berlin 1797), Nernst (Wanderungen durch Rügen, Düsseldorf 1800) und
Grümbke erhalten.
Die Grundfarbe der Hiddenseer Tracht war dunkel, in der Regel schwarz.
An der Männertracht waren am auffallendsten die weißleinenen Beinkleiber,
die über beide Schenkel in eins gingen und wie ein Sack bis über die Kniee
herabhingen. Als Kopfbedeckung diente eine Mütze mit Troddel. Auf Um
manz war die Kleidung der Männer blaugeftreift. Als kärglichen Überrest
von der Frauentracht beobachtete Nernst im Jahre 1795 bei einigen stein-
alten Mütterchen als Kopfbedeckung „schwarze Mützen, welche am Hinterkopfe
hoch und spitz zusammenliefen" und am Rand mit einer schmalen weißen
Verbrämung verziert waren. Wenn die Frauen über Land gingen, trugen
sie Hüte, die mit schwarzer Wachsleinwand oder Etamin überzogen waren.
Auf Hiddensee wie auf Ummanz wurden alle Zeugstoffe durch Haus
industrie hergestellt. Besonders standen die Ummanzerinnen in dem Rufe,
daß sie den Flachs durch Röten im Seewasser und durch vieles Klopfen aufs
feinste zuzubereiten verständen. Die Zeugarten, die sie herstellten, waren
dreierlei: ein einfacher Stoff, Ziegeth genannt, ein geköperter Stoff, der Halb
fett hieß, und ein Stoff mit flächsenen Streifen, welcher Warp genannt ward.
Bei allen drei Zeugarten war der Auszug leinen, der Einschlag wollen. Alle
Quellen stimmen darin überein, daß die Tracht der Hiddenseer derjenigen der
Mönchguter ähnlich gewesen sei. Aus Hiddensee sind die letzten Reste der
Tracht kurz vor dem Jahre 1800, auf Ummanz zwischen 1820—1825 ver
schwunden; heutzutage ist auch die Erinnerung daran völlig verschollen. Vgl.
Pom. Vkde I 41 ff.