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Nach den trefflichen Untersuchungen von Peßler (Das altsächs. Bauern
haus in seiner geogr. Verbreitung, Braunschweig 1906, und Das altsächs.
Bauernhaus der I. R. in Zeitschr. für Ethnol. 1906, 967—980) sind auf
Rügen zur Zeit noch etwa 25 von diesen altsächsischen Bauernhäusern erhalten.
Sie befinden sich in Alt-Reddewitz, Baabe (2), Gager, Groß-Stresow — das
dort gelegene Sachsenhaus heißt „das Verräterhaus" —, Groß-Zicker, Hagen
auf Jasmund, Kleinhagen, Klein-Zicker, Lobbe (2), Middelhagen, Nistelitz (3),
Pantow — das dortige Sachsenhaus heißt im Bolksmunde „der Zuckerhut" —,
Seelvitz (2), Sellin, Tankow, Bitte auf Hiddensee, Waase und Zirkow (4).
Ungefähr ebenso groß ist die Zahl derjenigen altsächsischen Häuser, die durch
ilmbauten zwar verändert sind, aber doch die ursprüngliche Anlage noch deutlich
erkennen lassen. Sie befinden sich in Altefähr, Altenkamp, Altenkirchen,
Altensien, Binz, Breege, Giesendorf, Glowe, Grieben, Hagen auf Jasmund,
Hiddenseer Fährinsel, Lonvitz, Neuendorf (Putbus), Neuhof,
Nipmerow, Polchow, Preetz, Rambin, Schaprode, Trent, Udars, Wreechen.
Spuren von dem früheren Vorhandensein altsächsischer Bauernhäuser haben
sich nachweisen lassen in Bessin, Blieschow, Cabelow, Carow, Crampas, Dalkvitz,
Freesenort, Freetz, Garlepow, Göhren, Gramtitz, Güstow, Krackvitz, Lancken,
Lanschvitz, Lubkow, Natzevitz, Nonnevitz, Poseritz, Rappin, Serams, Silvitz,
Stubben, Thiessow, Trips, Vilmnitz, Wiek. In früheren Zeiten wird das
Sachsenhaus vermutlich über die ganze Insel gleichmäßig verbreitet gewesen
sein. Auch die rügenschen Scheunen weisen noch hier und da die Formen
des sächsischen Langhauses auf.
Auf der Insel Hiddensee gab es vordem ausschließlich Rauchhäuser, und
diese Häuser machten, weil ihre Wände mit Torfsoden ausgefüllt waren, einen
höchst primitiven Eindruck. „Hierher", sagt Zöllner im Jahre 1795, „muß
man gehen, wenn man sich einen lebhaften Begriff von der Baukunst in ihrer
ersten Kindheit machen will; wenigstens habe ich sonst nirgends als hier Häuser
aus Torf gesehen. Nur wenige Häuser sind ordentlich mit hölzernem Fach
werk aufgeführt; an den meisten sind nur die Eckpfeiler und einige Zwischen
pfosten aus Holz, das übrige ist von Torf wie ein Schwalbennest zusammen-
gekleckt. . . . Zur Abwechslung sieht man statt des Torfs auch wohl Seetang
und Feldsteine angewendet." Die farbige Abbildung solch eines alten Hidden
seer Rauchkatens findet sich bei Jndigena (Grümbke): Streifzüge durch das
Rügenland, Altona 1805, 68.
Eine größere Anzahl dieser älteren primitiven Wohnhäuser hatte sich
auf Hiddensee noch bis vor fünfzig Jahren erhalten. Aber die Sturmflut
von: 12,—13. November 1872 vernichtete einen Teil derselben, andere wurden
damals so stark beschädigt, daß sie durch Neubauten ersetzt werden mußten.
3. Stammeszugehörigkeit und Charakter.
Bezüglich ihrer Stammeszugehörigkeit find die Bewohner Rügens früher
oft fälschlich eingeschätzt worden, indem man sie für Mischlinge von Slawen
und Deutschen ausgab. Die Unrichtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus
einer unbefangenen Betrachtung der geschichtlichen Vorgänge, die sich bei der
Germanisierung der Insel im 13. und 14. Jahrhundert abgespielt haben.
Des besseren Verständnisses wegen hole ich etwas weiter aus.
Nach allgemeiner Annahme ist die Insel Rügen seit der jüngeren Stein
zeit bis zu Beginn der Slawenzeit von germanischen Volksstämmen bewohnt ge