es mir?“ Auch das „sie“ der dritten Zeile wirkt an-
schaulicher, und zu dem „er lag zu meinen Füßen“
hat Steinthal auf die Parallele „Er ging an meiner
Seite“ aufmerksam gemacht. Daß in der Tat die
Änderungen „die“ statt „eine“ und „lag‘“ statt „liegt“
von der Melodie herrühren, welche den Parallelismus
so hervorhob, diese Ansicht läßt sich gewiß hören.
Wenn heutzutage die dritte Strophe in der Regel mit-
gesungen wird, so kommt das von dem Einfluß des
Schulgesanges her.
Auf die Anregung, die unsere auf den Höhen
der Menschheit wandelnden Dichter durch das Volks-
lied erfahren haben, wurde schon wiederholt hingewiesen.
Namentlich Goethe, der während seiner Straßburger
Studienzeit auf Herders Rat im Elsaß Volkslieder
sammelte, hat diese anspornende Kraft empfunden; die
schónsten seiner lyrischen Gedichte náhern sich dem
Volkston. Statt mehrerer Beispiele sei nur des ,,Heiden-
rósleins* ausführlicher gedacht. Herder führt das Lied
in seiner Sammlung ohne Verfassernamen an, und doch
bezeichnet es Goethe als sein eigenes. Das Rätsel ist
gelöst. Ein Gedicht Weißes, ,,Rosenknospe", wurde
von Herder unter Anlehnung an ein altes Lied „Sie gleicht
wohl einem Rosenstock mit dem Kehrreim „Röslein
auf der heiden* umgeándert. Im Vollgefühle des Sesen-
heimer Liebesglückes tat Goethe mit dem Herderschen
Gedicht „Blüte“, was Herder mit dem Weißes getan
hatte; auch er zog den alten Sang vom ,,Heidenrôslein““
heran. Ursprünglich wollte Herder seine „Blüte“ unter
seine „Volkslieder“ aufnehmen, er war aber gerecht
genug, der wundervollen Umdichtung seines jungen
Freundes den Vorzug zu geben, die er, weil er die eigen-
tümliche Art der Entstehung kannte, schon als ein Volks-
lied (in seinem Sinne nämlich) bezeichnen durfte 9).
Ein ähnliches, minder verwickeltes Verhältnis be-
steht zwischen dem herrlichen „Trost in Tränen“ und