Die Produktion von Wissen, die Reproduktion von Disziplinarität
Ziel haben. Lediglich für einzelne Abschnitte der Fachgeschichte — etwa
„Volkskunde im Nationalsozialismus“ oder die „Romantische Volkskun-
de“ — liegen Darstellungen vor, in denen die Disziplingeschichte in allge-
meine gesellschaftliche Entwicklungen systematisch eingeordnet wird.
Aufgrund fehlender Vorarbeiten kann hier die für die Volkskunde zu
verzeichnende Vernachlässigung der Frage nach Technik nicht — wie eigent-
lich erforderlich — in gesellschafts-, ideologie- und theoriegeschichtliche
Entwicklungen eingeordnet werden. Wenn im folgenden die Ursachen die-
ses „blinden Flecks“ allein in bezug auf die von der Volkskunde verwende-
ten Modelle, Konzepte, Begriffe und Methoden analysiert werden, sind da-
mit wichtige wissenschaftsexterne Faktoren der Disziplinentwicklung ana-
lytisch ausgeklammert. Deshalb sollen unter Rückgriff auf die in den letzten
Jahren innerhalb der (soziologischen) Wissenschaftsforschungf etablierten
Perspektiven zumindest einige der Bedingungen thematisiert werden, die
Andreas Hartmann unter der Kategorie Instanzen faftt: etwa die diszipli-
náren Abgrenzungsbemühungen im Wissenschaftsbetrieb, mit denen wich-
tige definitorische Klàrungen vorgenommen werden. Im bereits oben erlàu-
terten Begriff ,style of reasoning" werden die Kategorien /nstrumente und
Regeln zusammengefafit, um — anders als Hartmann dies tut — den direkten
Zusammenhang zwischen den disziplinàren Fragestellungen und den ver-
wendeten begrifflichen Systemen zu betonen.
Auf ihre Leitunterscheidungen werden im folgenden programmatische
Texte befragt, die sich explizit mit den in der Volkskunde verwendeten
Theorien und Methoden, der Abgrenzung gegen andere Disziplinen bzw.
der Definition der bearbeiteten Gegenstandsbereiche auseinandersetzen.
Unterstellt wird dabei deren Einfluß auf die Forschungspraxis, ohne daß
diese — zentrale — Problematik eigens untersucht werden könnte. Die Klä-
rung einer solchen Frage muß einer umfassenden und systematischen wis-
senschaftstheoretischen Untersuchung vorbehalten bleiben, die die Frage
nach dem stellen kann, was die sehr heterogenen Sachgebiete des Faches im
innersten (theoretisch) zusammenhält. Hier besteht lediglich die Absicht,
einige Zusammenhänge zwischen volkskundlicher Programmatik und je-
nen Studien aufzuzeigen, die sich im engeren Sinne mit Technik auseinan-
dersetzen. Zuvor jedoch sollen einige Positionen der neueren Wissen-
schaftsforschung aufgegriffen werden, um die hier verfolgte Frageperspek-
tive zu präzisieren.
5 Vgl. hierzu insbesondere die Arbeiten Hermann Bausingers (z.B. Volkskultur in der tech-
nischen Welt, Kritik der Tradition).
Vgl. hierzu den Überblicksartikel von Wolfgang Bonß, Heinz Hartmann: Konstruierte
Gesellschaft, rationale Deutung. Zum Wirklichkeitscharakter soziologischer Diskurse. In:
Dies. (Hrsg.): Entzauberte Wissenschaft, Zur Relativität und Geltung soziologischer For-
schung (Soziale Welt, Sonderband 3). Göttingen 1985, Otto Schwarz, S. 9-46, und die
Einzelfragen thematisierenden Artikel dieses Bandes.