entsprach: ein schönes Gesicht, ein verfallener syphilitischer
Körper, eine von Geistern Besessene ... sah ich sie in der Trance
keuchen, und — im Zustand vólliger Besessenheit — das Blut des
Opfers, das ganz heifl aus der durchschnittenen Kekle strómte, aus
einer Porzellantasse trinken. Niemals habe ich mit ihr geschlafen,
aber als dieses Opfer stattfand, schien es mir als knüpfte sich zwi-
schen ihr und mir eine Beziehung inniger als jede Art von fleischli-
chem Verháltnis.
Besessenheit, Voudou, Okkultismus, Magie und Maske, reli-
gióser und erotischer Fetischismus, die ineinander übergehen,
sind für Leiris der Umweg, in unbewufiter List die Bedingungsge-
füge umzuwälzen, um das Wunderbare als das Absolute freizule-
gen: Das Wunderbare existiert aber weder in der Natur noch jenseits
der Natur, sondern im Innern des Menschen, in der anscheinend
entlegensten, ihm selbst aber in Wirklichkeit sicher am nächsten ste-
hencz2 Pgien, deren Bezirke nicht jener gräflichen Feudalherr-
scha/* unterstenen, aie ihre menschlichen Lehen mit grofiem Auf-
wand an rationalen Edikten und pragmatischen Galgen dezimiert.
Denn das Wunderbare ist nichts anderes als das im Herzen des Men-
schen brennende Feuer, das imagináre Leuchten eines Absoluten,
das er seinem eigenen Wesen entnimmt und auf die glanzlosen
Ereignisse projiziert, deren Dünste durch seine Poren hindurch noch
bis zu ¢ 1 vordringen, was man gemeinhin seinen Ceist nennt. Es
ist zugleich d:e starke Anziehung, die das Unerklärliche ausübt, der
gewal: >: Zchub, der die Grundlosigkeit oft jeder Art von Erklárung
vorziehen läßt, die ursprüngliche Kraft des Geistes schließlich, die
sich lange vor der Ausbildung des kritischen Verstandes bekundet
und die iLvcz Ursprung nur in den Tiefen des Unbewußten oder in
der Nacht cer zen finden kann ... In seinem Aufsatz »Das ,,ca-
put mortuum" oder die Frau des Alchemisten« wird die (Leder-)
Maske auf dem Gesicht der dadurch entindividualisierten Frau
zu einem der unerhórten Werkzeuge, die dem wunderbar entspre-
chen, was die Erotik in Wahrheit ist: ein Mittel, aus sich herauszuge-
hen, die Bande zu zerreiflen, die die Moral, der Verstand und die Sit-
ten einem aufcrlegen, eine Weise zugleich, die bösen Kräfte zu ban-
nen, Gott una den ihn vertretenden Hóllenhunden der Welt die Stirn
zu bieten, indem man ihr Eigentum, das gesamte Universum, in
einem seiner besonders bedeutsamen, aber hier nicht mehr unter-
schiedenen Teilen in Besitz nimmt und seinem Zwang unterwirft.