Volltext: Beiträge zur Kenntnis der deutschen Zigeuner

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Gerhard war ein äufserst gewalttätiger Mann, der mit den fränkischen Städten in beständigem 
Kampfe lebte, in dem die Städte die Hilfe des Kaisers AVonzel anriefen. WPnzel lebte bekannt- 
lich meist in seinem Erblande Böhmen, und dorthin, nach Prag, schickten 1397 die verbündeten 
Städte des Hochstifts Würzburg eine Gesandtschaft mit der Bitte, sie unter die Reichsstädte auf­ 
zunehmen. Wenzel genehmigte das Gesuch im allgemeinen, da er damals über die deutschen 
bürsten eibitteit wai, und schickte gleich einen seiner Lieblinge, den Böhmen Borziwoy von 
Suomar, als seinen Stellvertreter nach Deutschland ab. Borziwoy trat anfänglich ganz auf die 
Seite dei Städte, erst 1399 nach der erfolglosen Tagsatzung zu Kitzingen ging er zum Fürst­ 
bischof über (Wegele, Fürstbischof Gerhard und der Städtekrieg im Hochstift Wirzburg, p. 26 ff. 
Nördlingen 1861). Es kann daher kaum dem Zweifel unterliegen, dafs die Verordnung Gerhards 
unter dei Bezeichnung „Bemische lute“ die böhmischen Leute meinte, die mit Borziwoy nach 
Deutschland gekommen waren und die von Würzburg fern zu halten, Fürstbischof Gerhard in 
den Jahren 1397 — 1399 guten Grund hatte. Von Zigeunern wäre auch schwerlich der Ausdruck 
in riten gebraucht worden, wenn auch in alten Zeiten die Anführer beritten waren. Zu be­ 
achten ist ferner, dafs nach der Mitteilung von Reuss in dem Ratsprotokolle von Würzburg 
unter dem Jahre 1494 eine „Zygewnerin“ erwähnt wird, so dafs jedenfalls damals auch in 
Würzburg der Name' „Zigeuner“ schon gang und gäbe war. 
Rätselhaft bleibt es freilich noch immer, wie es kommt, dafs die Zigeuner in Deutsch­ 
land zuerst in den Hansestädten an der Nord- und Ostsee erschienen. Nach allem was wir bis 
jetzt über die Geschichte ihrer Wanderungen wissen, wäre zu erwarten, dafs sie von Böhmen 
aus, wo sie 1416 zuerst in gröfserer Zahl erwähnt werden, aber schon früher bekannt gewesen 
sein müssen (Miklosich, Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europas 
III, 22 f.; Jesina, Romani Cib oder die Zigeuner-Sprache. 3. Auflage, p. 3. Leipzig 1886), nach 
Deutschland gekommen wären. Schlesien rnüfste also das Land sein, wo wir ihr erstes Auftreten 
in Deutschland berichtet finden sollten. In dem Staatsarchive zu Breslau, dessen Urkunden ich 
untersucht habe, und für dessen unbeschränkte Benutzung ich Herrn Geh. Archivrat Prof. Dr. Grün­ 
hagen zu herzlichem Danke verpflichtet bin, sind jedoch alte Aufzeichnungen über die Zigeuner 
nicht zu finden. Die älteste ist ein Mandat des Kaisers Ferdinand I. aus dem Jahre 1560 
„wegen der Umläufer, welche sich vor Landsknechte ausgeben, desgleichen Czyganer“ (Coli. 
Oelsner 545), dann eine Meldung des Heinrich von Oversdorff an „Herrn Georgenn Herczogenn 
im Schlesien zur Liegnicz vnndt Briegg“ vom Sonntage Palmarum 1569, dafs „das vntreu ver­ 
fluchte Volkh die Zigäner“ die Leute bestohlen und dafs einem der Verfolger der „Oberste vnder 
ihnen einen Knebellspies so er in Händen gehabt mit gewalt ausgerissen vnndt denselben Ihme 
strakhs in Leib gestofsen, vnndt ganz tötlichen Vorwundet“ (F. Brieg II, 9a). Unter dem 
26. November 1596 werden „Ziganer“ in Bunzlau erwähnt. Reichlich sind die Zeugnisse aus 
dem 17. Jahrhundert und zwar wurde besonders die Grafschaft Glatz von ihnen heimgesucht, 
was sehr begreiflich ist. Im Dezember 1674 (das Schreiben ist datiert vom 16. Dezember) wurde 
die Gemeinde Ober-Langenau in der Grafschaft Glatz „verwichenen Dienstag gegen Abendt von 
etlichen 100 Zügeynern dergestalten überfallen, dasz ungeacht allsz entgegensazes, mancher Pauer 
10. 12. 15 undt mehr Persohnen, ohne die pferdt, Bisz auf den Donnerstag, nicht allein Be­ 
würben, sondern Ihnen noch darzu fast alle Verpflegungsmittel umbsonst Hergeben undt anderen 
muthwillen gestatten müssen; Bey welchem Esz aber nicht verblieben, Indem sy underscheidtlich
	        
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