Die astatische Türkei.
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lebte, ist, nachdem es unter das Joch der Osmanen gefallen war, vollständig verfallen
und hat sich mit Ausnahme der schmalen Uferstriche an den umschließenden beiden Strömen
in eine troftlose Wüstenei verwandelt. — Bagdad ist neben dem zwar wohlhabenderen
aber uninteressanten Kerbela die einzige noch übriggebliebene von den aroßen Städten des
Landes. An beiden Ufern des
Tigris breitet es sich aus und
gewährt vom Fluß aus gesehen
einen großartigen Aublick; sobald
man aber das Innere der Stadt
betritt, verliert sich die Täuschung.
Die Bauwerke der Khalifenzeit
sind meist verschwunden, nur
einzelne Moscheen erinnern noch
an die einstige Größe der Stadt.
Die Häuser sind fast durch—
gängig aus Lehmziegeln gebaut,
die Straßen eng, krumm und
ungepflastert. Die berühmten
Bazare Bagdads bilden lange,
breite, mit gewölbtem Mauer—
werk gedeckte Gänge und ent—
halten einen großen Reichtum
an orientalischen Waren. Reich
ist Bagdad an Grabstätten be—
rühmter und heiliger Personen,
darunter das der Zobaide, der
Gemahlin Harun al Raschids,
ein vereinzelter Rest aus der
alten stolzen Zeit. Die Stadt
ist im Sommer sehr heiß, aber
nicht ungesund. In früheren
Zeiten war die Industrie in kost
baren Stoffen, Teppichen u. s. w.
sehr bedeutend, jetzt fertigt man
nur noch grobe Baumwollzeuge.
Dagegen behauptet Bagdad als
Handelsstadt auch jetzt noch eine
große Bedeutung.
In Mesopotamien macht sich
das allmälige Dahinschwinden
aller höheren Kultur am fühl—
barsten durch den Mangel an
Verkehrswegen und Verkehrs—
mitteln geltend; das „Schiff
der Wüste“, das Kamel, tritt
in seine souveränen Rechte, und
die „Raubvögel der Wüste“, die J
Beduinen, suchen von Zeit zu Zeit die entvölkecten Gebiete heim, um kleinere Karawanen oder
einzelne Reisende zu brandschatzen. Wenn sie in —
ein möglichst harmloses Aussehen zu geben, und in ihren alten Tagen lassen sie sich sogar zu—
weilen herbei, hier ein friedliches Brot zu suchen — am liebsten das allerbequemste des Bettelns.
Wie überall im Orient, so ist auch hier der Derwisch die stehende Figur der Heerstraße.
Alter Beduine.