Erforschung von Christen charismatischer Pfingstkirchen auf Java
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ersten Fall war es hingegen sehr hilfreich, bei einem
Kirchenmitglied zu wohnen. Es half immer wieder,
Gespräche mit den gleichen Informanten an unter-
schiedlichen Orten zu organisieren. Dadurch wurde
as einfacher, auch Gesprächsthemen zu variieren
und ich erhielt ein relativ umfassendes Bild vom
Leben als Christ auf Java. In ähnlicher Weise halfen
auch lebensgeschichtliche Erzählungen, die Trag-
weite religiöser Normen einzuschätzen. Erläuternde
Gespräche konnte ich auch dann führen, wenn es
mir gelang, eine Rolle einzunehmen, die der ei-
ner Schülerin ähnelte. Ebenso half man mir gerne
weiter, wenn ich mein Anliegen als Bitte um einen
Gefallen formulierte. Das war sogar dann möglich,
wenn ich glaubhaft versicherte, etwas gerne verste-
1en zu wollen.
Abschließend möchte ich einige Überlegungen
über das Verfassen dieses Artikels ansprechen. Ich
aatte ihn mit dem Gedanken begonnen, dass mei-
ae Informanten und ich von dem jeweils Anderen
ziemlich feste Vorstellungen hätten. Ich glaubte,
dass diese gegenseitigen Zuschreibungen der Grund
ür die von mir empfundenen Forschungsschwierig-
xeiten waren. Als ich aber all meine Irritationen auf-
schrieb und Belege für die von mir zurechtgelegten
Begründungen suchte, stellte ich fest, dass sich die
Probleme auf wenige Punkte reduzieren ließen. Ich
wollte nicht missioniert werden und hielt deshalb
Distanz. Außerdem fühlte ich mich in Massenver-
anstaltungen unwohl, in denen die Masse gleich-
geschaltet nur noch Jesus verherrlicht, und musste
gegen den Fluchtreflex ankämpfen. All dies hatte
wenig mit Erwartungen oder Zuschreibungen durch
meine Informanten mir gegenüber zu tun. Es hatte
a2her etwas mit meiner Befürchtung zu tun, dass sie
das Interesse an mir verlieren könnten, wenn ich
nicht in ihre Kirche eintreten würde.
vom 2.5. Oktober in Mainz und ganz besonders
dessen Organisatorinnen Erdmute Alber und Ta-
bea Häberlein für ihre wertvollen Kommentare. Ich
nöchte die Gelegenheit nutzen, auch meinen Infor-
nanten und dem Pfarrer und seiner Frau, bei denen
ich während der gesamte Forschungszeit jederzeit
wohnen durfte, für die herzliche Aufnahme in den
Kreis ihrer Familie und die zahlreichen wertvollen
Diskussionen zu danken.
Anmerkungen
Im Folgenden verwende ich das maskuline grammatische Ge-
schlecht und nur in den Fällen, in denen explizite Nennung des
»iologischen oder gesellschaftlichen Geschlechts von beson-
derer Bedeutung ist, wird weiter diversifiziert.
Meine Überlegungen fügen sich in Veröffentlichungen zu Java
zin, soweit sie sich mit der Geschichte des Christentums von
Surakarta (BUuDuANTO 2009) oder spezifisch mit der Verbin-
dung von Kirche und Business (KONinG & DAaHLEs 2009, Ko-
ING 2009, KrısTtAnTo 2006) befassen. Die wesentlich älteren
Arbeiten von CLIFFORD GEERTZ (1976) über Religion auf Java
ınd von HiLDreD GEERTz (1989) über die javanische Familie
zefassen sich stärker mit tradierten Werten und Normen. Eben-
30 bieten NIELS MULDER (1983) über den javanischen Mystizis-
mus und FRANz Maanıs-Suseno (1981) zur traditionellen java-
nischen Ethik wertvolles Hintergrundwissen, um die aktuelle
Situation besser zu verstehen.
'n ganz Indonesien verwenden sowohl Christen als auch Mus-
ime als Gottesnamen „Allah“,
Die größten Kirchen sind die Reformed Evangelical Church
»f Indonesia (Lembaga Reformed Injili Indonesia) in Jakarta,
lie Gereja Bethany in Surabaya, Mawar Sharon in Surabaya,
Tamaat Kristen Indonesia (IKT) in Semarang, und die Keluar-
za Allah Kirche in Surakarta. Die meisten von ihnen haben in
ınderen javanischen Städten Filialen ähnlicher Größe.
Als ich einmal in einem calvinistischen Gebetszirkel erzählte,
lass ich öfters in die charismatische Kirche gehe und auch,
lass ich Javanisch lerne, wurde ich gefragt, ob ich denn auch
lie Sprache des Heiligen Geistes (bahasa roh) lernen würde.
Meine Gesprächspartner gingen davon aus, dass auch diese
Sprache lern- bzw. verstehbar ist und ich ihnen nun übersetzen
<önnte, was im Gottesdienst in dieser Sprache gesagt wird.
Der kirchliche Auftrag lässt sich auf allen Web-Seiten charis-
natischer Kirchen nachlesen. Der Gründer der Keluarga Allah
Zirche in Surakarta bezeichnete diesen als Kernziel der Missi-
nsarbeit seiner Kirche (Interview am 18.4.2014).
Die Veröffentlichungen von WArRD KEELER (1983, 1990) tragen
wesentlich dazu bei, die Feinheiten der Sprachverwendung im
’amiliären und nachbarschaftlichen Umfeld zu verstehen. Das
avanische besteht aus mehreren Sprachleveln mit je eigener
v,exik und Grammatik. James Siegel vergleicht die Unterschie-
de mit Deutsch und Englisch (SıeceL 1993: 4). Je nach gesell-
‚chaftlicher Position der Sprecher aber auch in Abhängigkeit
von deren relativer Position während eines Gesprächs werden
ınterschiedliche Sprachregister angewendet. Nähe und Dis-
:anz, Formalität und Informalität sind im Javanischen wichtige
Parameter, um soziale Hierarchien, die sich sogar während
sines Gesprächs verändern können, sprachlich auszudrücken
“KısTLER 2003).
Vgl. SUSANNE SCHRÖTER (2013) zu ihren Feldforschungen in
catholischer Umgebung auf Flores. Die Gespräche, die sie zu
3eginn ihrer Forschung führen konnte, waren stark von Ver-
nutungen ihrer Informanten bezüglich ihrer Religiosität ge-
yrägt.
).
Danksagungen
Die Forschung, die diesem Beitrag zugrunde liegt,
wurde durch die DFG im Rahmen des Deutsch-
Französischen Forschungsschwerpunkts “LOT-
WOR: Local Traditions and World Religions: The
Appropriation of “Religion” in Southeast Asia and
Beyond” gefördert, wofür ich mich bedanke. Darü-
ber hinaus danke ich den Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer des Workshops „Verortungen. Ethnologie in
Wissenschaft, Arbeitswelt und Öffentlichkeit“ auf
der Konferenz der DGV (Dt. Ges. für Völkerkunde)
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