Möglichkeit der Untersuchung ist eher ein Programm der Ethnologie allgemein geworden.
Und in seinem letzten Buch, das er „Dokumente verschollener Südsee-Kulturen” nannte
(1981), schrieb er (p. 39) von jahrtausendealter Kultur, die „keiner Änderung durch die wei-
ße Zivilisation bedurfte, die sie nur ausbeuterisch zerstören konnte”.
Dieser letzte Satz macht deutlich, daß Herbert Tischner über fast ein halbes Jahrhundert
hinweg eine Meinung vertrat, die in vieler Hinsicht wieder die heutige ist, die Ansicht der
jüngsten Generation von Ethnologen. Aber er macht auch deutlich, daß er immer wieder die
wichtigste Aufgabe des Ethnologen aufnahm. Den Versuch nämlich, für fremde Völker, für
das Verständnis zwischen Völkern, einzutreten. Und so schrieb er in fast jedem seiner an
ein allgemeines Publikum gerichteten Bücher Sätze wie diesen: „Dies alles schufen Men-
schen, die der Weiße in seiner Überheblichkeit gern als „Wilde” bezeichnet” (in seiner
‚Kunst der Südsee”, 1954, p. 16).
Herbert Tischner war sicherlich kein Theoretiker. Immer wieder betonte er, man solle erst
Material sammeln und dann Schlüsse ziehen. Nur ein einziges Malin seiner Laufbahn ließ er
sich (in der Tagespresse) auf eine wissenschaftliche Auseinandersetzung ein — mit Thor
Heyerdahl. Auch dabei hat ihn der in seinen Augen unzulässige Publicity-Rummel wohl
mehr erbittert als die wissenschaftlichen Ideen Heyerdahls. Sein großes Verdienst aber war
die Vermittlung ethnologischer Kenntnisse an eine breitere Öffentlichkeit. Ein weiteres war
sein Bemühen um Kontakte mit Missionaren, insbesondere den Missionaren der Neuen-
dettelsauer Mission. Diesem sind zwei der großartigsten Monographien über Neuguinea
durch Georg Vicedom und Hermann Strauß zu verdanken. Zusammenarbeit auch bei dem
vundervollen Band „Kunst der Südsee” mit dem Fotografen Friedrich Hewicker und mit der
arafikerin Dascha Detering bei den „Kulturen der Südsee” und anderen Publikationen.
Schließlich verdankt die Ethnologie seinem Sammeln und Bemühen die Herausgabe von
Aufzeichnungen und Manuskripten von Hellwig, Kleinschmidt und Sapper.
War er wissenschaftlich eher an früheren, an historischen Zuständen interessiert, So war
ar in anderen Bereichen alles andere als konservativ. Schon bei der Wiedereröffnung des
Südsee-Saales nach dem Kriege überraschte er durch damals noch ungewohnte Farbig-
<eit. Er hatte sich von dem bekannten Hamburger Maler Fritz Kronenberg beraten lassen.
Und zum Abschied seiner Tätigkeit am Museum hinterließ er den neugestalteten Masken-
saalin einer Form, die auf Anregungen aus Schaufenster-Dekorationen zurückging und die
mancher Jüngere nicht gewagt hätte.
Die wissenschaftliche Arbeit, die Tätigkeit am Museum bedeuteten für Herbert Tischner
mehr als bloßen Beruf. Sie waren von seinem privaten Leben nicht zu trennen. Es wäre ein
völliges Mißverständnis, wenn der Eindruck entstünde, er wäre ein bloßer, ein langweilig-
arnster Wissenschaftler gewesen. Dazu hatte er zu viel Freude an dem, was er tat. Dazu
liebte er Gespräche und Geselligkeit zu sehr. Dafür war er zu ausgefüllt in seinem Leben.
Bis in sein Alter konnte er sich über Dinge und Menschen noch eben so lebhaft empören wie
vor allem begeistern. Seine Persönlichkeit ging in seinen Beruf ein, wie die Wissenschaft
Teil seines Lebens war. Sein Wissen und sein Interesse, sein Humor und seine Hilfsbereit-
schaft werden neben seinen wissenschaftlichen Leistungen in unserer Erinnerung lebendig
bleiben.
Hanc Fiecher