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Margaretha Palzkill
Die Teufelsbündner-Legende
Die ersten Teufelskruzifixe sollen in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts in Italien
asntstanden sein, u.z. erfunden und verbreitet von römischen Kapuzinern. In deren
Kloster am Barberiniplatz wurde ein, heute nicht mehr nachweisbares, Gemälde der
Kreuzigung Christi gezeigt, das auf die folgende Begebenheit zurückgehen soll: ein
von Haus aus reicher, aber liederlicher Jüngling hatte sein gesamtes Vermögen ver-
geudet. Von seinen Angehörigen nicht länger unterstützt, beschließt er, in die Dien-
ste des Teufels zu treten, der als Gegenleistung ausreichend Geld zur Verfügung zu
stellen verspricht.
Als zusätzliche Leistung verlangt der Jüngling vom Teufel, ein Bild von der Kreu-
zigung Christi anzufertigen, da der Teufel der einzige noch lebende Zeuge dieses
Geschehens sei. Als der junge Mann schließlich das Bild des vollkommen zermarter-
ten, leidenden Christus sieht, ist er dermaßen angerührt und von Reue erfaßt, daß er
den Namen Jesu ausruft. Damit treibt er den Teufel in die Flucht?
Mittels kleiner Andachtsbilder ist dieses Motiv des ganz und gar zerschundenen
Christus wohl weiter verbreitet worden. Als Beleg für die Vermutung kann beispiels-
weise ein aus Poitiers staammendes Andachtsbildchen des 19. Jahrhunderts herange-
zogen werden. Dessen Bildlegende nimmt auf die Geschichte vom liederlichen Jüng-
ling unmittelbar Bezug (vgl. Bilderliste Nr. 7).
In der Literatur bislang nicht behandelt und also ungeklärt ist die Frage, wie das
Entstehungsverhältnis zwischen Teufelsbild und Teufelslegende zu beurteilen ist.
Diente die Erzählung vom verdorbenen Teufelsbündner dazu, eine vielleicht schon
sehr viel ältere Darstellung, deren schaurige Expressivität nicht mehr verstanden
wurde, von neuem zu erklären und plausibel zu machen? Oder handelt es sich um
eine zeitgleiche Erfindung? Traf u. U. das Bildnis des »bluttriefenden Christus« sehr
wohl den Zeitgeschmack des 17. Jahrhunderts (»Das Blutrünstige wurde zum Stiler-
fordernis«*), bedurfte aber, um akzeptiert zu werden, einer höheren und hier eben
teuflischen Rechtfertigung?
Faustkreuzlegende
Sicher ist jedenfalls, daß in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts die Geschichte vom
Jüngling durch eine neue Legende überformt und überlagert wurde: Lieder, Flug-
blätter und sogar Puppenspiele berichten nun davon, daß Mephisto auf Verlangen
Fausts Christus am Kreuz gemalt habe*. In einem Teil der schrifilichen Quellen geht
die Geschichte sogar noch einen Schritt weiter: Faust verlangt von Mephisto, den
Namen Christi auf das Gemälde zu schreiben, was diesem natürlich unmöglich ist.
Einige wenige Darstellungen (Bildliste Nr. 1 und 2) greifen dieses neue Motiv »wort-
> Vgl. den Bericht des Barbier de Montault. In: MEIıErR (wie Anm. 2), S. 12ff.
‘ Dörrer (wie Anm. 2), S. 225.
> Zur literarischen Tradition vgl. KRETZENBACHER, LEOPOLD: Faust zwischen Höllensturz und
Gnade. In: Ders.: Heimat im Volksbarock. Klagenfurt 1961, S. 15-24, hier S. 17 ff. — MEIER
(wie Anm. 2). S. 2ff. — SCHMIDT: Zu einem Faust-Kreuzbild ... (wie Anm. 1), S. 63f.